Am Ende des Tages
Grund vorstellen.«
»Ich ebenfalls nicht«, pflichtete ihm der Ermittler kollegial bei. »Wenn überhaupt, dann wäre doch die einzige Erklärung, dass die Fracht ungewöhnlich wertvoll war, oder?«
Von einer wertvollen Fracht sei ihm aber nichts bekannt, wandte der Wachtmeister ein. Was sollte das überhaupt gewesen sein? Als er bei der Absturzstelle eingetroffen sei, wären um das noch rauchende Wrack lediglich einige angesengte Geldscheine zu sehen gewesen. Keine wirklich große Summe. »Ein paar Zehnmarkscheine sinds gewesen, die noch ganz waren. Sonst sind bloß noch ein paar verbrannte Fetzen rumgeflogen. Den Resten nach können es aber nicht mehr als höchstens sechzig, siebzig Mark gewesen sein. Bei den zwei Piloten haben wir nichts mehr gefunden, sie sind ja …« Der Wachtmeister verstummte. Er erinnerte sich an das Bild, das sich ihm geboten hatte, als er die Leichen der Männer im ausgeglühten Wrack hatte entdecken müssen.
Er sah zur Seite. »War … nicht grad besonders schön …«. Er räusperte sich in seine Faust.
Kull ließ eine kurze Pause verstreichen, bevor er wieder ansetzte: »Sagen Sie – als Sie zum Unglücksort kamen, war doch bereits die Feuerwehr dort?«
»Und die hiesige Bergwacht, ja.«
»War der Aufprall eigentlich im Ort zu hören?«
Der Wachtmeister verneinte. »Der Platz liegt hinter dem Kienhörndl. Da hörst im Dorf nichts.«
»Wie haben Feuerwehr und Bergwacht dann überhaupt davon erfahren?«
»Dem Oberreither-Vale sein Hof liegt so, dass er das Feuer als Erster hat sehen können. Er hat Alarm gegeben.«
»Nach unseren Unterlagen ist die Feuerwehr erst ungefähr zweieinhalb Stunden später vor Ort eingetroffen, ist das richtig?« Der Ermittler wartete Schmaus’ bestätigendes Nicken ab, bevor er fort fuhr: »Der Aufstieg aber dauert nicht länger als eine Stunde. Wieviel Zeit vergeht nach einem Alarm üblicherweise, bis die hiesige Feuerwehr abmarschbereit ist?«
»Je nach Rüstaufwand, Tageszeit und Wetter eine halbe bis eine dreiviertel Stunde, grob geschätzt.«
Kull verschränkte die Hände vor der Brust. »Dann sind, wenn ich mich nicht irre, zwischen Absturz und Alarm ungefähr eineinhalb Stunden vergangen, nicht wahr? Brauchte dieser Bauer denn so lange, um ins Dorf zu kommen und Alarm zu geben?«
»Nein. Mit dem Radl ist er in einer Viertelstunde im Oberland, da hat der Doktor Tobisch ein Telefon. Der hat dann im Gemeindeamt angerufen.«
»Tobisch? Ist das etwa dieser Lügenbold von vorhin?«
Der Wachtmeister nickte. »Aber die Beleidigung will ich überhört haben. Der Herr Doktor Tobisch hat ein Ansehen im Dorf, weil er als Arzt was taugt. Ob einer für die Nazen oder was anderes spinnt, ist jedem seine Sach.«
»Jaja …« Kull wirkte für einen Moment zerstreut. Der Wachtmeister glaubte seine Gedanken zu erraten. »Sie fragen sich, wo die eineinhalb Stunden bleiben, stimmts? Das ist einfach zu erklären. Der Oberreither-Vale hats krachen gehört, hats Feuer gesehen und ist sofort aufgestiegen. Von ihm aus ist es ja nicht weit. Er hat gemeint, dass er vielleicht noch helfen kann. Wie er dann gesehen hat, dass er nichts mehr ausrichten kann, ist er gleich ins Dorf.«
Kull dachte kurz nach. Dann sagte er: »Wie hieß dieser Bauer gleich noch? Oberreither?«
»Der Schreibname ist Kienberger Valentin. Oder Vale, für die Leut. Oberreither ist bloß der Hausnam.«
»Zeigen Sie mir bitte den Weg zu diesem Hof. Ich muss mit dem Mann reden.«
Der Wachtmeister zögerte mit einer Antwort. Im gleichen Moment wusste Kull, was er hören würde.
»Das geht nimmer«, sagte Schmaus. Seine Stimme klang brüchig. »Der Vale ist tot. Er, seine Bäuerin und das Kleine.« Noch immer war ihm die Erschütterung ins Gesicht geschrieben. »Der Hof ist gute acht Tag später bis auf die Grundmauern abgebrannt.«
Kull starrte ihn an.
»Erzählen Sie«, bat er mit belegter Stimme.
Es hatten sich entsetzliche Szenen abgespielt. Als die Feuerwehr eintraf, stand der Wirtschaftstrakt schon in hellen Flammen, auch aus dem Wohnbereich quoll bereits schwarzer Qualm. Auf dem Balkon des Wohnhauses, das noch durch die Brandmauer geschützt war, stand die Bäuerin, verzweifelt um Hilfe rufend. Den Feuerwehrmännern gelang es noch, eine Leiter anzulegen und die halb Ohnmächtige vom Haus wegzuführen, als das Feuer mit ohrenbetäubendem Fauchen die Durchgänge der Feuermauer sprengte und auch das Wohngebäude in eine Flammenhölle verwandelte. Da hatte sich die Bäuerin plötzlich
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