Am Ende des Tages
ins Feuer, und die Füß gleich dazu.«
Der Wachtmeister horchte auf. Das Mittagsgeläut der Pfarrkirche hatte eingesetzt.
»Und damit Schluss. Weiß überhaupt nicht, wieso ich so lang mit Ihnen ratsch.« Er sah Kull fest an. »Ich geb Ihnen noch den guten Rat, Herr. Nämlich den, so schnell wie möglich abzuhauen.«
»Ich lasse mir nicht vorschreiben, wann ich abzureisen habe.«
»Ich hab Ihnen nichts vorgeschrieben, sondern einen Rat gegeben. Die Burschen, die Sie vorhin aufs Kreuz gelegt haben, werden sich revanchieren wollen. Und wie ich die Helden kenn, werden sie dann nicht mehr bloß zu zweit sein. Hab ich mich klar genug ausgedrückt?«
»Ich bin nicht auf den Kopf gefallen«, sagte Kull.
Der Wachtmeister lachte freudlos. »Vor allem nicht aufs Maul.« Er stand auf. »Aber manchmal reicht das nicht aus, glauben Sies mir.«
14.
Mit ohrenbetäubendem Kreischen glitt die Lok der Waldlinie Mühldorf-Pilsting auf die Unfallstelle zu. Als sie in einer Wolke aus Rauch und Staub zum Stehen kam, trennte sie nur noch eine Handbreit von dem Ochsenfuhrwerk, das mit gebrochener Achse auf dem Gleisübergang liegen geblieben war.
Einige Sekunden war nichts als das Stampfen der schweren Maschine zu hören. Dann öffnete sich die Tür des Tenders. Der Lokführer sprang heraus und rannte auf den schmächtigen Fuhrmann zu, der, noch immer totenbleich, wie angewurzelt neben seinem Gefährt stand. Mit einem Blick umfasste der Lokführer die Situation. Keine Verletzten. Die Zugtiere unruhig, aber wohlauf. Die Vorderachse des Fuhrwerks in zwei Teile zerborsten, eine der Seitenhalterungen ebenfalls gebrochen, die tonnenschweren Baumstämme über das Gleisbett verstreut. Das Fuhrwerk war völlig überladen gewesen. Der Lokführer begann zu toben.
Nachdem sich Kajetan und die anderen Passagiere von ihrem Schrecken erholt und das durch die Abteile gepurzelte Gepäck wieder verstaut hatten, verließen auch sie den Zug, um das Malheur zu besichtigen.
Noch immer prasselte eine Flut von Beschimpfungen auf den Fuhrmann hernieder. Der Junge, er war höchstens sechzehn Jahre alt, kämpfte mit den Tränen.
»Jetzt lassens doch endlich den Buben in Ruh!«, fasste sich eine dicke Frau ein Herz. »Der tut doch auch bloß, was ihm von seinem Bauern angeschafft worden ist.«
»Genau!«, pflichtete ihr ein älterer Passagier bei. »Sind wir doch froh, dass nichts Schlimmeres passiert ist.«
»Nichts Schlimmeres passiert, du Hornochs?«, keifte der Zugführer zurück. »Und was ist mit meinem Fahrplan?« Er wandte sich wieder an den Jungen. »Dich werd ich anzeigen, du Verbrecher! An die Straf wirst noch lang denken, das garantier ich dir!«
»Ich kann doch nichts dafür«, schniefte der Gescholtene.
Der Lokführer durchbohrte ihn mit einem vernichtenden Blick. »Sieht doch jedes Rindvieh, dass du zu viel aufgeladen hast!«
»Wenns … wenns mir der … der Zimmermeister doch so angeschafft hat … ich habs ihm doch auch gesagt, dass …«
Der Lokführer brachte ihn mit einer verächtlichen Geste zum Schweigen und stiefelte auf eine Gruppe von Gaffern zu, die sich von einem nahegelegenen Hof genähert hatten. »Und ihr schauts nicht so blöd. Holts gefälligst eure Feuerwehr!«
Kajetan kam zum Schluss, dass er nicht gebraucht wurde. Er kehrte in sein Abteil zurück und streckte die Beine von sich. Er sah aus dem Fenster. Das kahle Buschwerk am Fuß des Bahndammes schauderte im scharfen Landwind. Regensatte Wolken segelten über das hügelige Land.
Kajetan war ein wenig eingenickt, als der Zug wieder Fahrt aufnahm. Er warf einen Blick auf seine Taschenuhr. Das Räumen der Unfallstelle hatte fast zwei Stunden gedauert. Er warf einen Blick aus dem Fenster. Die Sonne, hinter dunklen Wolken nur noch zu erahnen, stand bereits tief im Westen. Karg bewaldete Kuppen, nebelbestandene, von Herbstgüssen nässesatte Senken und abgeerntete Felder glitten vorüber.
Es dämmerte, als der Zug auf dem Thalbacher Bahnhof einfuhr. Kajetan sprang vom Trittbrett und sah sich verwundert um. Nur eine niedrige, von dichtem Wald umgebene Bahnstation war zu sehen, weit und breit kein anderes Gebäude, geschweige denn ein Dorf. Mit ihm war ein weiterer Passagier ausgestiegen, der sich jedoch bereits mit raschen Schritten entfernt hatte. Er fluchte leise. War er an der falschen Station ausgestiegen?
Der Stationsvorsteher gab das Signal zur Weiterfahrt. Der Zug ruckte an. Nach kurzer Zeit hatte ihn das Dämmerdunkel des Waldes verschluckt. Stille legte
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