Am Ende des Tages
losgerissen und war mit dem Schrei »Mein Kind!« wieder in das Haus gestürzt. Die Männer hatten, als sie sie zuvor in panischer Eile von der Altane bargen, das kleine Bündel übersehen, in das sie ihren Sohn gewickelt und neben sich gelegt hatte. Es gelang den überraschten Männern nicht mehr, sie zurückzuhalten. Zwei der Männer hatten es versucht, doch die Wucht der Hitze hatte sie zurückgeschleudert. Ihr zu folgen, wäre purer Selbstmord gewesen. Die Frau ging vor ihren Augen in Flammen auf.
»Den Vale hat man beim Stall gefunden«, schloss der Wachtmeister bedrückt. »Und das … das ist auch eine der Sachen, die mir im Dorf seit einiger Zeit nimmer gefallen wollen.« Er wandte sein Gesicht ab und fügte leise hinzu: »Überhaupt nicht mehr …«
Der Ermittler hatte einen Augenblick geschwiegen. Dann fragte er: »Was war die Brandursache?«
Schmaus hob die Achseln. »Man hat zwar festgestellt, dass das Feuer zwischen Vorderstall und Heuboden ausgebrochen ist, wo man den Vale auch gefunden hat. Wodurch der Brand aber entstanden ist, hat man nicht mehr herausfinden können. Selbstentzündung ist in dieser Jahreszeit nicht wahrscheinlich. Also könnte es auch eine umgefallene Petroleumlampe gewesen sein. Wobei wiederum die Frag ist, wie so etwas um ein Uhr in der Früh passieren kann.«
»Sind die Leichen obduziert worden?«
»Soweit noch was da war, was man obduzieren hat können, ja.«
»Mit welchem Ergebnis?«
»Der Kleine ist wie die Bäuerin verbrannt, wobei er wahrscheinlich schon vorher erstickt ist. Das Gleiche beim Vale. Bei ihm hat man immerhin noch sehen können, dass sein Schädel eingeschlagen war. Wahrscheinlich durch einen Balken, wie der Heuboden über ihm eingekracht ist.«
Der Ermittler befingerte seine Unterlippe. »Sie sagten, der Bauer ist nicht in seiner Schlafkammer gefunden worden, sondern in der Nähe des Stalles?«
»Zwischen Stall und Remise, vor einem kleinen Verschlag«, bestätigte der Dorfgendarm. »Er hat sich da eine kleine Werkstatt eingerichtet gehabt, mit Hobelbank und allem. Der Vale ist ja ein Machler gewesen, der sich das meiste selber hat richten können.«
Der Ermittler überlegte. Wäre das Feuer ohne das Zutun des Bauern ausgebrochen, so hätte dieser sich bei Ausbruch des Feuers doch in der Schlafkammer befinden müssen? Der Wachtmeister schien in die selbe Richtung gedacht zu haben: »Dass er in Panik aufgeschreckt ist und erst das Vieh rauslassen wollt …« Er stockte und schüttelte den Kopf, »nein, das glaub ich nicht. Sosehr ein Bauer auch an seinem Vieh hängen mag – erst kommt der Mensch, dann das Vieh. Er hätt als Erstes seine Frau und seinen Buben aus dem Haus gebracht.«
»Ist denn nicht auch über einen Raubmord nachgedacht worden?«
»Na freilich. Aber es hat nichts Verdächtiges mehr festgestellt werden können, das Haus war ja komplett ausgebrannt. Beim Oberreither wär außerdem nicht viel zum Holen gewesen. So tüchtig er auch gearbeitet hat, neben der Bauernarbeit noch als Holzknecht und Torfstecher, er war ein Hungerleider, immer ist die Gant vor der Tür gestanden. Die Frau war auch nicht die gesündeste, Schwindsucht, hats geheißen. Es hat wohl damit angefangen, dass er zwei Geschwister hat auszahlen müssen, wobei er sich nicht hat lumpen lassen. Wie sich dann vor ein paar Jahren rausgestellt hat, dass der Kassierer vom hiesigen Raiffeisenverein alles verspielt hat, ist es ganz bergab gegangen mit ihm.«
»Hatte er Feinde?«
»Der Oberreither Vale? Nein«, sagte der Wachtmeister bestimmt. »Es ist bloß noch in Betracht gezogen worden, dass er was mit der Schmugglerei zu tun gehabt haben könnt und deswegen mit einem von der Bagage überkreuz gekommen ist. Wir haben uns nämlich drüber gewundert, dass in einem Versteck in seiner Werkstatt ein Ballen mit Seide war. Aber das hätt nicht zu ihm gepasst.«
»Klären Sie mich auf«, meinte Kull. »Was hat Sie an diesem Fund gewundert?«
»Weil wir uns gefragt haben, wieso er den Stoff nicht im Schlafzimmerkasten aufgehoben, sondern in seiner Werkstatt versteckt hat. Vor allem aber, wie die Oberreitherischen ihr Geld für so was rausschmeißen können, wenn sie schon mit den Schulden nimmer nachkommen. Aber vielleicht wars ein Geschenk, oder er hats noch von seinen Alten gehabt. Das Schmuggeln hätt eh nicht zum Vale gepasst. Er war anständig, fast zu anständig für die heutigen Zeiten. Dass er den Stoff gestohlen hat, glaub ich gleich dreimal nicht. Da leg ich meine Händ
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