Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende des Tages

Am Ende des Tages

Titel: Am Ende des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hültner
Vom Netzwerk:
wollten, wie er das Anwesen verließ. Eine breitere Piste führte durch den Wald zu einer benachbarten Rodung, um, nach einer weiteren Gabelung, zum Thalbacher Bahnhof zu führen.
    Die Dämmerung hatte eingesetzt; die Sonne, hinter einem Wolkenschleier kaum noch auszumachen, war fast zur Gänze hinter dem dunklen Riss des Waldes versunken. Aus Landschaft und Gebäuden war alle Farbe gewichen. Kajetan kniff die Augen zusammen. Hinter dem Schwaiger-Anwesen senkte sich der Hang zum Bachgrund, auf der anderen Seite stieg er zum Schlehberger-Hof wieder an. Die Gebäude des Schwaigerhofs lagen weniger als hundert Meter, der Schlehberger-Hof dagegen fast einen halben Kilometer entfernt. Er war nur noch als schwarzer Kubus in einem um Grade helleren Hang zu erkennen.
    Die Sonne war untergegangen. Kajetan überlegte. In etwas weniger als einer Stunde würde es stockdunkel sein. Solange würde er auch brauchen, um den Bahnhof auf diesem Weg zu erreichen. Auf dem Weg, den auch das Opfer genommen hatte und auf dem es seinem Mörder begegnet war.
    Er drückte den Hut fest auf seinen Kopf und marschierte los. Unter seinen Sohlen raschelte das Laub. Ein hohler Käuzchenruf ertönte. Irgendwo ächzte ein alter Baumstamm.
    Er war kaum zehn Minuten gegangen, als sich der Weg zu einer kleinen Lichtung weitete. Er blieb stehen und nahm eine alte Buche in den Blick. Hier, an ihren Stamm gelehnt und halb sitzend, hatte man die Bäuerin damals gefunden. Mit einer klaffenden Wunde in der Schläfe, aber in geordneter Kleidung, von einer angerissenen Ärmelnaht abgesehen. Und im Aufnäher ihrer Wolljacke einige Münzen, die sie zuvor von einer Nachbarin als Lohn für eine kleine Flechtarbeit erhalten hatte.
    Kajetan überlegte. Was hatte der Täter eigentlich im Sinn gehabt? Raub? Vergewaltigung? Die Bäuerin war als zierliche und schwächliche Person beschrieben worden. Sie zu überwältigen, wäre für einen normal kräftigen und entschlossenen Täter nicht schwer gewesen.
    Hatte sich Rotters Frau doch so entschieden zur Wehr gesetzt, dass der Unbekannte von seinem ursprünglichen Vorhaben abließ? Wenn ja – wieso suchte er dann nicht einfach das Weite? Bis die Bäuerin in Riedenthal Alarm geschlagen, man sich im Dunkel der Nacht und weglosem Dickicht auf die Jagd nach ihm gemacht hätte, wäre er längst über alle Berge gewesen. Warum also schoss er ihr in die Schläfe?

21.
    Es war nicht gerade einfach gewesen, sich im Gassenlabyrinth der Haidhauser »Grube« zur Kohlenhandlung Hartinger durchzufragen. Als der Ermittler das bescheidene, mit seinem Holzverschlag fast ländlich anmutende Haus endlich entdeckte, dunkelte es bereits.
    Das Kohlenlager war in einem flachen Schuppen im zweiten Hinterhof untergebracht. Matter Lichtschein beschien den grob geschotterten Hof. Das Schaben einer Schaufel und ein gedämpftes Gespräch verrieten, dass im Inneren des Lagers noch ein später Kunde abgefertigt wurde. Ein schäbiges Schild wies zum Kundenbüro im Haupthaus. Kull gelangte durch ein schmales Treppenhaus in den ersten Stock.
    Auf sein Klopfen öffnete sich eine Nebentüre. Im Rahmen stand eine kleine, gebeugte Frau in den Fünfzigern, eine graue Küchenschürze über dem hochgeschlossenen Trauerkleid.
    Kull hob seinen Hut. »Frau Hartinger?«
    Die Mutter des Bordmechanikers bejahte zögernd. Der Detektiv stellte sich wieder als Versicherungsagent vor. Seine Gesellschaft führe gerade eine Nachuntersuchung durch, die eine neuerliche Überprüfung der bereits gewährten Angehörigenentschädigung nach sich ziehen könnte.
    »Ich kann Ihnen selbstverständlich nichts versprechen, gnädige Frau«, schloss er.
    Die Türklinke noch in der Hand, verharrte die Frau unschlüssig, als müsse sie sich vergewissern, das Gehörte auch richtig verstanden zu haben. »Und da … da kommens jetzt auf die Nacht noch daher?«
    »Ich war zufällig in der Nähe.« Der Ermittler lächelte verbindlich. »Die Sorgen und Nöte unserer Kunden sind uns ein großes Anliegen, gnädige Frau. Aber um die richtigen Entscheidungen treffen zu können, ist es oft sehr hilfreich, sich vor Ort ein Bild von den Lebensumständen der Kunden machen zu können, nicht wahr?« Bekümmert fügte er hinzu: »Und obwohl ich bereits jetzt sehe, dass dies nicht für Sie zutrifft, habe ich leider auch schon feststellen müssen, dass manche Notlage nur vorgetäuscht ist.«
    »Jaja … da habens schon Recht … die Welt ist nimmer ehrlich.« Sie trat beiseite und ließ ihn eintreten. Kull

Weitere Kostenlose Bücher