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Am Ende des Tages

Am Ende des Tages

Titel: Am Ende des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hültner
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Geld widerstandslos aus dem Sack ziehen lassen würde. Er ohrfeigte sie hart, zahlte, wartete das Rückgeld nicht ab und eilte, verfolgt von hämischem Gelächter, aus dem Lokal.
    Wenig später schlug Fürst an die Tür eines einstöckigen Hauses in Untergiesing. Er wartete, sah sich um, atmete durch und klopfte erneut. Endlich hörte er Schritte auf einer Holztreppe. Ein Riegel fuhr zurück. Im Türspalt tauchte ein knochiges Gesicht auf und musterte ihn mürrisch.
    »Du?«
    »Frag nicht so blöd, Loder«, sagte Fürst.
    Der Mann grunzte unwillig. Er sandte flinke Blicke in beide Richtungen der Gasse, dann winkte er seinen Besucher wortlos herein. In einer kleinen Wohnküche angekommen, maulte er, sich einen Hemdzipfel in den Hosenbund stopfend: »Um acht wolltest da sein. Hab mich schon hingelegt gehabt.«
    Fürst machte eine entschuldigende Geste.
    »Halt einfach deinen Schnabel«, winkte der Hagere mürrisch ab. »Bringen wirs hinter uns. Und dann haust ab. Ich bin saumüd.«
    »Hast was, Loder?«, fragte Fürst.
    »Hast Glück«, sagte der Hagere. »Wenn ich mich auch frag, ob du das Zeug zum Abort runterschüttest.«
    »Geht dich nichts an.«
    »Ist mir ja auch wurscht.«
    Der Hagere drehte sich ab, nahm eine Fliese hinter dem Herd ab, holte ein Fläschchen mit einer trüben Flüssigkeit aus einer Wandvertiefung und stellte es auf den Tisch. »Aber so geschenkt wie früher gibts das Zeug nimmer, damit dus gleich weißt. Sechs Mark oder du lässt es bleiben.«
    Fast das Doppelte! In Fürst stieg Zorn hoch. Der Hagere hob die Achseln.
    »Ich zwing keinen«, sagte er. »Aber neuerdings wird im Spital kontrolliert, da ist mein Risiko größer.«
    »Hats dich?«, schnaubte Fürst. »Möchst mich ruinieren?«
    »Deine Sach«, sagte der Hagere. »Andere machen kein Theater.«
    »Das … das zahl ich nicht! Du Jud!«
    Ein verschlagenes Grinsen verzog das zerfurchte Gesicht Loders. »Auch recht. Dann machen wir halt kein Geschäft mehr miteinander. Kein Grund, mich deswegen gleich zu beleidigen.«
    Er streckte die Hand nach dem Fläschchen aus. Fürst packte ihn an der Hemdbrust und zog ihn mit einem Ruck zu sich heran. Ein widerwärtiger, von Fusel und dem Geruch faulender Zähne geschwängerter Atem dampfte über sein Gesicht.
    »Ich glaub, du bringst was durcheinander, Loder. Ich bin keiner von den armen Säuen, die sich von dir ausnehmen lassen wie eine Kirchweihgans. Mich legt keiner aufs Kreuz. Eine Drecksau wie du schon gleich gar nicht!«
    Der Hagere wand sich unter seinem Griff. »Jetzt nimm doch eine Vernunft an, Fürst«, stammelte er. »Wir sind doch allerweil gut ausgekommen. Weißt nimmer, wie ich dich damals im Lazarett …«
    Fürst warf ihn herum und drückte ihn gegen die Wand.
    »Weißt du, was du bist?!«
    Seine Rechte griff nach der Kehle Loders.
    »Ein Haufen Dreck bist du!« Fürst schüttelte den schmächtigen Krankenpfleger und brüllte: »Sag mir, was du bist!«
    »Ich gebs dir ja …«, krächzte Loder. »Brauchst doch nicht …«
    Fürsts Hand wurde zur Kralle. Die Augen des Mannes weiteten sich in Todesangst.
    »Sags!«, schrie Fürst.
    Loders Stimme war nur noch ein heiseres Flüstern. »Ein … ein … Haufen …«
    Fürst grunzte verächtlich und schleuderte ihn von sich. Loder torkelte durch die kleine Kammer, stolperte und riss im Fallen einen Stuhl mit sich. Durch die Mauer zur Nebenwohnung drang ein empörter Ruf, gefolgt von einem energischen Klopfen.
    »Jetzt … jetzt mach doch keine Geschichten …«, wimmerte Loder. »Du kriegst es ja …«
    Fürst packte das Fläschen und ließ es in seiner Manteltasche verschwinden. Er grinste boshaft. »Das nehm ich als Präsent. Für langjährige und treue Kunden. Bist doch einverstanden, oder?«
    Loder keuchte. »Ja … ja …«
    Fürst beugte sich zu ihm hinunter. »Und wenn dir wieder einmal einfallen sollt, dass du mich aufs Kreuz legen möchst, oder gar meinst, mir das nächste Mal die Tür vor der Nase zuhauen zu können, dann könnts passieren, dass das Spital in der Tristanstraß eine kleine Nachricht kriegt.«
    »Da-das darfst nicht tun …«, stammelte Loder.
    Fürst spuckte auf den Boden und warf die Türe schmetternd hinter sich zu.

24.
    Kajetan rannte über den Perron des Mühldorfer Bahnhofs. Das Gellen des Abfahrtssignals bereits im Ohr, riss er die Wagontür des Nachtzugs nach München auf. Er war noch auf der Suche nach einem Sitzplatz, als die Lok auch schon anruckte. Er hatte keine Lust auf Konversation, fand ein

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