Am Ende des Tages
komplizierte Zündvorrichtung anbringen können? Die Frachtkiste selbst war laut Wachbuch verplombt gewesen und als Diplomatenfracht mit einem ministeriell beglaubigten Carnet versehen. Wie also kam die Zeitbombe in den Laderaum?
Und welche Rolle spielte der Bordmechaniker Hartinger dabei? Möglich, dass er und Fürst sich aus Freikorps-Zeiten kannten.
Hatte sich Fürst im Suff verplappert und Hartinger von der wertvollen Fracht erzählt. Und dieser sich bei seinen SA-Kameraden damit wichtig gemacht? Worauf die Nazis den Plan fassten, die Summe an sich zu bringen?
Oder steckten nur Fürst und Hartinger unter einer Decke? Wollten sie die Summe unter sich aufteilen? Kull schüttelte den Kopf. Schwachsinn. Der Gutachter hatte zwar angedeutet, dass sich Hartinger um diesen Flug geradezu gerissen hatte. Doch welcher Idiot besteigt eine Maschine, von der er weiß, dass sie abstürzen wird?
War Hartinger also doch unschuldig? Aber dann hätte er bei der Vorbereitung zum Abflug, als der Motor noch nicht angeworfen war, auf das ungewöhnliche Ticken im Laderaum aufmerksam werden müssen. Wieso reagierte er nicht darauf?
Der Ermittler setzte den Löffel ab und gab ein gequältes Seufzen von sich.
Nichts passte zusammen.
Außerdem war da noch immer die Sache mit der geänderten Flugroute. Warum machte die Maschine kurz nach Eintritt in das Gebirge plötzlich eine Kehre nach Osten? Der nächste Flughafen wäre im Reichenhaller Tal gewesen.
Was, wenn nicht Fürst Hartingers Komplize war, sondern der Flugzeugführer Staimer? Hatten Hartinger und er geplant, irgendwo auf einer befestigten Wiese zu landen und sich mit dem Geld aus dem Staub zu machen? Es war unwahrscheinlich. Der Flugzeugführer war von allen Befragten als ehrlich und zuverlässig beschrieben worden. Und mit Hartinger hatte er zuvor nie zu tun gehabt.
Wenn Hartingers Plan aber gewesen wäre, den Flugzeugführer mit vorgehaltener Waffe zur Kursänderung zu zwingen und die Maschine an einem geheimen Ort zur Landung zu bringen, das Geld zu rauben und sich anschließend abzusetzen – wozu dann noch eine Bombe?
Und der Auftraggeber, Major von Lindenfeld? Welche Rolle könnte er dabei gespielt haben? Zwar hatte Staatssekretär Schubarth versichert, dass der Major bisher nie auch nur den leistesten Anlass zu einer Beanstandung gegeben hatte. Andererseits – früher waren es immer nur kleinere Summen gewesen, die über sein Konto gelaufen waren, dreitausend, viertausend, höchstens einmal zehntausend Mark. Dieses Mal aber war es das Zehnfache. Grund genug, diesmal schwach zu werden?
Kull aß gedankenverloren weiter. Plötzlich ging sein Puls schneller. Er setzte den Löffel ab.
Du wirst langsam alt, Kull, dachte er. Wieso bist du nicht schon früher dahintergekommen?
Die Kellnerin nahte mit dem Hauptgang. Kull starrte entgeistert auf die Riesenportion eines Schweinebratens. Ein Grinsen glitt über sein Gesicht. So schaffen sich diese Leute also uns Preußen vom Hals, dachte er. Sie bringen uns einfach zum Platzen. Wohlig dehnte er sich, schnitt ein Stück vom Fleisch ab und kostete es. Er nickte anerkennend, rammte wieder die Gabel in den Braten und setzte das Messer an.
Er hatte gerade genüsslich zu kauen begonnen, als er ein merkwürdiges Geräusch unter sich hörte. Er legte das Besteck ab und sah unter den Tisch. Seine Augen wurden rund.
»He! Sie!«, sagte er entgeistert.
Sein Tischnachbar war ein behäbiger Alter mit breitem Schädel und roter, großporiger Nase. Er nahm seine Zigarre aus dem Mund und sah Kull mit freundlicher Neugierde an.
»Ha?«
»Ihr Hund!«, japste Kull.
»Was ist damit?«
»Er pinkelt gerade unter den Tisch!«
Der Alte sog an seinem Stumpen.
»Was tut er?«
»Ihr Köter! Pisst gerade! Unter dem Tisch!«
»Ah geh?« Der Alte warf einen kurzen Blick unter sich. »Stimmt«, sagte er. »Mei. Muss halt auch einmal, gell?« Er zuckte mit den Schultern. »Ein Hund ist eben auch bloß ein Mensch.«
»Wie?! Aber das geht doch nicht!«
»Sagen Sies ihm. Auf mich hört er ja nicht.«
»Aber es ist Ihr Köter! Das ist doch die Höhe!«
»Is eh schon fertig«, sagte der Alte versöhnlich. Andere Gäste waren auf das Gespräch aufmerksam geworden. Jemand aus der Tischrunde sekundierte fachmännisch: »Ist gut fürs Parkett.«
»Wie bitte?« In Kull kochte es.
»Ist wahr«, bestätigte der Hundebesitzer. »Dann hälts länger.«
»Eine Unverschämtheit!«, wetterte Kull. »Dann würde mich nur noch interessieren, wie es bei
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