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Am Ende des Tages

Am Ende des Tages

Titel: Am Ende des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hültner
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Heimkehrerfeier einen jungen Mann wiedersah, den sie noch aus ihrer Kindheit kannte, gewann ihr Plan Gestalt. Dass der entlassene Soldat seelisch gebrochen war, ein ausgehungertes Nervenbündel mit zitternden Händen, hatte sie sofort erkannt.
    Sie gab sich betroffen, bestärkte ihn in seiner Verbitterung, teilte mit ihm seine Empörung über die bäuerischen Geizkrägen, die auf ihren Vorräten säßen und nicht daran dächten, jenen etwas zuzustecken, die für das Vaterland gekämpft hatten und statt eines Danks nun vor einer ruinierten Zukunft ständen. Sie deutete an, dass auch ihr Dienstherr leider keine Ausnahme sei, obwohl er sich eine gelegentliche Spende sehr wohl leisten könnte. Sie selbst könne leider nicht viel für ihn tun. Aber vielleicht wäre es einen Versuch wert, einmal beim Rotterhof vorbeizusehen? Er dürfe jedoch keinesfalls zu erkennen geben, dass sie es war, die ihm diesen Hinweis gegeben hatte. Und er solle sich auch nicht als Bettler ausgeben, sondern Arbeit anbieten.
    Der junge Mann war der Empfehlung gefolgt und eines Tages auf dem Hof erschienen. Wie zu erwarten war, verhielt sich die engstirnige Bäuerin feindselig. Erst nach einer harschen Zurechtweisung Rotters ließ sie sich dazu bewegen, dem vermeintlichen Schlossergesellen wenigstens noch einige Schöpfer der Mittagssuppe zukommen zu lassen. Es blieb dem frustrierten Besucher nicht verborgen, dass der Bauer, bevor er sich schließlich zur Stallarbeit verabschiedete, seine Frau anwies, bei einem Nachbarn Schulden einzutreiben. Nachdem sie aufgebrochen war, erklärte ihm Ludmilla in beiläufigem Ton, welchen Weg die Rotterin nehmen würde. Kurz vor Einbruch der Dämmerung verließ er den Hof. Da es bereits dämmerte, konnte er weder sehen, dass auf dem Nachbarhof eine ältere Frau gerade vom Stall zum Wohnhaus ging, noch, dass auf dem Hof gegenüber zwei Buben Cowboy und Indianer spielten.
    Als man die Bäuerin wenige Stunden danach erschossen im Wald auffand, fiel der Verdacht sofort auf Rotter, da allgemein bekannt war, dass er mit seiner Frau in ständigem Unfrieden gelebt hatte. Ludmilla zeigte sich über die Anschuldigung erschüttert. Heftig beteuerte sie wieder und wieder, dass sich der Bauer zur Tatzeit auf dem Hof aufgehalten habe und niemals der Täter sein könne. Wie sehr sie Rotter damit schadete, weil ihre leidenschaftlichen Ausbrüche nur die Vermutungen der Ermittler bestärkten, war ihr bewusst. Auch das Risiko, dass man damit auch ihr eine Komplizenschaft anhängen könnte, schätzte sie richtig ein. Denn nie würde es einen Beweis für ein ehebrecherisches Verhältnis zwischen ihr und dem Bauern geben. Oder gar dafür, dass sie die Tat mit ihm ausgeheckt hatte. Sie selbst hatte ein Alibi. Und der eigentliche Täter würde schweigen, wollte er sich nicht selbst belasten.
    Als Ludmilla zu Ohren kam, dass Rotter auf dem Schafott sterben sollte, fühlte sie kaum mehr als ein leichtes Frösteln. Sie schob es auf den Böhmischen Wind, der an diesem Tag über das Land fegte, und zog sich eine Wolljacke über. Sie empfand keinen Triumph, fühlte nur, wie sie die Gewissheit flutete, dass die Erde, auf der sie stand, nie mehr unter ihr wanken würde. Etwas war aus der Welt geschafft, was sich einst angeschickt hatte, sie zu vernichten. Es tat gut.
    Doch das Tor ins Dunkel war durchschritten. Es regte sich schon nichts mehr in ihrer versiegelten Seele, als das Urteil in Lebenslänglich umgewandelt wurde.
    Als sich dann der pfäffische Allgäuer Großbauer an sie heranmachte, hielt sie ihn auf Abstand. Er gab jedoch nicht auf, steckte ihr in unbeobachteten Momenten Geschenke zu, klagte ihr sein Leid mit seiner frömmelnden Ehefrau, die seine Leidenschaft nicht erwidere. Ludmillas Reserviertheit heizte sein Begehren noch an. Schließlich – er hatte sie mit einem fadenscheinigen Auftrag in die Heutenne befohlen – war er außer sich geraten und über sie hergefallen. Als sie sich ihm entwand und drohte, ihn öffentlich anzuschwärzen, bleckte er nur hämisch die Zähne. Was denke sie wohl, wem man Glauben schenken würde? Ihr, einer dahergelaufenen Stallmagd? Oder ihm, einem der angesehensten und einflussreichsten Bauern des Bezirks? Als ob auch nur einer aus der Gemeinde es wagen würde, sich mit ihm anzulegen! Er griff erneut an, aufgestachelt von ihrem Widerstand, lodernd vor Wut und Geilheit.
    Ihr Blick fiel auf die Bodenluke. Als er, ihr Verstummen als ängstliches Einlenken deutend, erneut auf sie zustürmte und sie zu

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