Am Ende eines Sommers - Roman
ohne jemanden anzusehen. Es ist das Erste, was sie sagt, seit Tante Rachel abgefahren ist.
Andy sieht mir in die Augen und schaut dann sofort zu Boden. Er packt eine Käseecke aus und drückt sie mit dem Daumen auf ein Stück Brot. » La vache qui rit «, flüstert er.
Ich lasse mich auf die Seite fallen und beobachte die lézards verts , die an der Scheunenwand rauf und runter flitzen. Eine. Zwei. Drei. Die erste verschwindet in einem Loch; so winzig, ich wusste gar nicht, dass es da ist. Irgendwo in der Nähe höre ich einen Grashüpfer. Ich weiß, dass es ein Grashüpfer ist, weil er anders zirpt als die Zikaden. Ich wünschte, ich könnte mal eine Zikade sehen. Das sind richtig geheime Insekten, die einen Höllenlärm machen, sich aber nie zeigen. Sie klingen eher wie Vögel. Die Sonne brennt auf die eine Seite meines Gesichts, und ich fühle, dass meine Nase anfängt zu schwitzen. Ich schließe die Augen und rieche trockenes Gras und Erde.
»Jake, setz dich hin und iss«, sagt Dad und stupst mich mit seiner Sandale an.
Wir sitzen zu dritt im Schneidersitz auf der Wolldecke und essen schweigend den letzten Rest Brot und Käse.
»Was gibt es heute Abend?«, fragt Andy und streckt die Beine aus.
»Auf dem Regal stehen zwei Dosen Cassoulet, und wir haben noch Kartoffeln. Das sollte reichen.«
»Was ist Cassoulet?«, fragen ich und Andy gleichzeitig, und Dad lacht, obwohl er eigentlich wütend auf mich sein wollte.
»Bohnen mit Wurst. Aber mit einem vornehmen französischen Namen.«
»Ich habe gefragt, ob du mir die andere Flasche bringen kannst, Bill«, sagt Mum kalt und wackelt mit ihrem leeren Glas über der Armlehne. Sie ist nur ein Arm und eine Hand mit einer Stimme.
»Da ist keine andere Flasche«, sagt Dad.
»Doch, da ist eine«, faucht sie zurück. »Da steht noch eine Flasche Rotwein, als Reserve. Herrgott noch mal, ich hole sie schon selbst.« Sie springt so plötzlich aus dem Liegestuhl auf, dass er auf seinen Holzbeinen hin und her wackelt. Sie fängt sich wieder und schlurft in ihren Flipflops zum Haus. Mir ist noch nie aufgefallen, dass ihre Knie so knochig sind. Ihre Bikini-Hose hängt in schlaffen Falten um ihren Hintern.
»Wir haben sie gestern Abend getrunken, Mary!«, ruft Dad ihr nach. »Du hast gerade die letzte Flasche leer gemacht!«
Wir hören, wie sie in der Küche herumpoltert und Krüge und Töpfe aus dem Weg schiebt. Andy fummelt an einer verschlissenen Ecke der Wolldecke herum und zieht daran, bis das Gewebe sich aufribbelt. Daddy reibt sich mit beiden Händen die Augenbrauen und pustet Luft durch die Lippen. Mum erscheint in der Tür. Sie lehnt im Rahmen und macht ein bösartiges Gesicht.
»Na, vielen Dank, dass ihr mir ein kleines Tröpfchen übrig gelassen habt, sonst hätte ich überhaupt nichts bekommen, oder? Was müsst ihr gestern Nacht weggetrunken haben, du und meine Schwester! Bestimmt habt ihr noch stundenlang dagesessen, als ich im Bett war, und geredet und die Probleme der Welt gelöst, ja? Ihr hattet bestimmt Gesprächsstoff ohne Ende. Nach all den Jahren.«
Dad starrt sie nur an.
»Und?«, kreischt sie und schleudert ihr leeres Glas auf die Wiese, wo es weiterkullert, ohne zu zerbrechen.
»Mary, es gibt nichts zu sagen.« Dad sammelt ruhig die Teller ein. »Als du schlafen gegangen bist, sind wir es auch. Alle zusammen – aber wahrscheinlich kannst du dich nach deiner zweiten Flasche Rotwein nicht mehr daran erinnern.« Er verlagert sein ganzes Gewicht auf ein Bein und sieht sie freundlich an. »Ich weiß nicht, warum du dich so aufregst.«
»Drecksack«, zischt sie mit zusammengebissenen Zähnen und geht wieder ins Haus.
Dann hören wir die Wagentür zuschlagen, und wir alle springen auf und rennen vor das Haus, wo Mum – immer noch im Bikini – im Wagen sitzt und den Motor startet.
»Mary, Herrgott, was hast du vor?« Dad beugt sich durch das Fenster in den Wagen und greift nach dem Zündschlüssel. »Du bist nicht mal angezogen!«
»Wir brauchen etwas zu essen!«, schreit sie ihn an, und sie springt aus dem Wagen, um ihm den Schlüssel aus der Hand zu reißen. Ihr Sonnenhut fällt runter und rollt weg wie ein Frisbee. Sie schlägt um sich, und ich finde, sie sieht aus wie ein kleines wildes Tier.
»Geht spazieren, Jungs«, sagt Dad.
Ich runzle die Stirn.
»Jake, geht einfach spazieren. Ich muss das hier klären.«
»Du Drecksack! Du Drecksack!«, kreischt Mum und prügelt auf seine Hände und seine Brust ein.
Dad hält sie mit einer Hand von
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