Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)
Frühstückstisch dekoriert hat.
Timon, der die Funktion des Programmleiters übernommen hat, sagt: »Es folgt Punkt 2: Der Kuchen. Führe dein Schwert, Gastbruder.«
Hannah lacht über ihren Sohn, den Entertainer. Silas massiert den Rand der Kaffeetasse mit seinem Mund, wirkt nicht ganz so amüsiert wie seine Frau.
Schokoladiger Marmor bröselt auf verziertes Porzellan.
Pappsatt lehne ich mich zurück.
»Bist du bereit für Punkt 3?«, fragt Timon.
Ich zucke mit den Schultern und bete, dass damit kein Spiel oder, noch schlimmer, eine feierliche Ansprache gemeint ist.
»Super. Ich fange an.«
Er langt unter seinen Stuhl und reicht mir ein Geschenk. Es ist in die Tageszeitung von gestern eingewickelt. Er strahlt, als wäre heute sein Geburtstag. Ich kenne niemanden, abgesehen von meiner Mutter, dem Überraschungen so viel Spaß zu machen scheinen. Natürlich freue ich mich, habe aber auch Angst vor den erwartungsvollen Blicken der anderen. Werde ich gerührt sein oder enttäuscht?
Der Inhalt fühlt sich weich an, die Umrisse sind formlos. Ich ziehe den Tesafilm ab und zum Vorschein kommt etwas, mit dem ich niemals gerechnet hätte. Ich bemerke, dass ich lächeln muss. Sachte schlüpfen meine Hände in den Stoff und tragen die rote Mütze in Präsentationshöhe.
Timon erklärt: »Weil du ständig von diesem Jacques Cousteau erzählt hast, habe ich mich mal erkundigt. Ich dachte, dass dir so eine Mütze auch ganz gut stehen würde … hoffentlich gefällt sie dir.«
Silas macht eine Bewegung mit seiner Hand, er möchte, dass ich die Mütze aufsetze. Sie passt wie angegossen. Zustimmendes Nicken. Ehrlich gerührt lege ich meinen Arm um Timon und sage: »Sie ist perfekt, vielen Dank.«
Er lächelt stolz und will weitermachen: »Du bist dran, Mama.«
Hannah reicht mir zögerlich ein buntes Viereck mit blauer Schleife. Ich löse den Knoten und sehe meine Eltern, die in meinem Alter sind und nebeneinander an einem Klettergerüst hängen. Ihre Haare sind etwa gleich lang, sie tragen enge T-Shirts und Schlaghosen. Sie wirken fröhlich und doch irgendwie auf der Schwelle, als hätten sie sich ein letztes Mal als große Kinder an die Stangen geklammert, um nach dem Foto loszulassen und als Erwachsene auf den Füßen zu landen.
Ich schaue Hannah an, meine Augen schwimmen.
Sie sagt: »Ich habe es vor ein paar Tagen wiedergefunden und fand es sehr schön.«
Hannah steht auf und läuft um den Tisch, von hinten legt sie die Arme um mich. Und jetzt weine ich richtig, weil mir klar wird, dass das der erste Geburtstag seit einer Ewigkeit ist, den ich mit der Familie verbringe. Mit der Familie, die meine echte Familie auf dem Gewissen hat. Ich bin unendlich gerührt und zugleich unendlich wütend.
»Du bist gut, Max«, hat Valentin am Abend nach der Beerdigung gesagt. Ich habe Angst, dass er sich schon wieder geirrt hat.
Als ich mich wieder gefasst habe, sind alle und alles für einen Augenblick mucksmäuschenstill, als ob jemand mute gedrückt hätte. Bis Timon wieder den Ton angibt. »Eins musst du noch aushalten«, sagt er und wendet sich an seinen Vater.
Silas greift in seine Hemdtasche und fordert meine Handfläche. Ich halte sie auf und er legt ein kleines, getrocknetes Seepferdchen hinein. Ich habe es schon einmal gesehen, damals im Milchschaum an der Autobahnraststätte.
»Es hat Glück gebracht für mich. Vielleicht auch für dich«, erklärt er.
Eigentlich glaube ich nicht an Talismane, aber wenn ich mir ansehe, was Silas geschafft hat – ein Haus am Meer mit schöner Frau und schönem Kind –, bin ich bereit, meine Meinung hier und heute zu ändern.
»Efcharisto.«
»Parakalo.«
Ungeduldig trommelt Timon mit seinem Kaffeelöffel auf den Tisch. »Kommen wir zu Punkt 4, meinem persönlichen Highlight.«
Er huscht in die Küche und kommt mit einer Flasche Sekt zurück. Flink löst er Papier, Draht und Korken.
Es schäumt aus dem Flaschenhals und Timon füllt die Gläser. Wir stoßen an. Punkt 4 ist einen Tick zu warm.
»Jetzt machen wir eine kurze Pause. Heute Abend geht es mit Punkt 5 weiter.«
»Was ist Punkt 5?«, frage ich.
»Ich verrate nur so viel: Es hat mit Punkt 4 zu tun«, Timon grinst.
Ich liege auf dem Bett und starre an die Decke. Hannah und Silas richten die Taverne für eine Hochzeitsfeier her, übermorgen erwarten sie 70 Gäste. In den Wintermonaten leben sie vor allem von solchen Festen.
Timon ist mit dem Moped unterwegs, macht letzte Besorgungen für heute Abend. Ich bin ziemlich
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