Am Ende siegt die Liebe
Tränen nah und kehrte zum W agen zurück.
Michael verstand die Welt nicht mehr. Wie konnte Carola so etwas Entsetzliches glauben? Sie wußte, daß er sie liebte. Nahm sie an, er hätte die ganze Zeit nur mit ihr gespielt? - Wenn das wirklich der Fall war, hatte er sich gründlich in ihr getäuscht.
Wütend folgte er seiner Freundin und setzte sich schweigend neben sie in den Wagen. Seine Hand zitterte, als er den Zündschlüssel herumdrehte, doch das bemerkte Carola nicht, weil sie demonstrativ aus dem Seitenfenster schaute.
* * *
In dieser Nacht fand Carola keinen Schlaf. Michael und sie hatten nach der Rückkehr ins Hotel kein Wort mehr miteinander gespr ochen. Ununterbrochen grübelte sie darüber nach, ob sie ihrem Freund nicht Unrecht getan hatte. Vielleicht hatte er sich wirklich nur etwas ungeschickt ausgedrückt.
Die junge Frau stand auf und trat an Davids Bettchen. Einen Daumen im Mund schlief er tief und fest. Er wirkte unendlich verletzlich. Liebevoll berührt sie sein Gesicht, dann deckte sie ihn besser zu.
Carola hielt es plötzlich im Zimmer nicht länger aus. Sie setzte sich auf den Balkon und blickte zum Himmel hinauf. Warum hatte sie auf Michaels Worte so heftig reagiert? Sie verstand es nicht mehr.
Sie schloß die Augen und lehnte sich zurück. Vor einigen Tagen hatte sie mit ihrem Bruder telefoniert. Er ließ Erdgeschoß und ersten Stock des Hauses gerade gründlich, renovieren. In vierzehn Tagen wollten sie einziehen.
»Wann kommst du zurück?« hatte er gefragt. »Du solltest dich langsam um die Renovierung der Dachwohnung kümmern. Bianca wird es sicher nicht gefallen, wenn noch monatelang nach uns erem Einzug Handwerker bei dir ein- und ausgehen.«
Ich werde nie wieder zurückkehren, dachte Carola, es sei denn, um meine Sachen zu holen. Thorsten und seine Frau ahnten noch nichts davon, doch ihr Entschluß stand fest. Sie nahm sich vor, gleich am Montag einen Makler in Backnang anzurufen, um ihn zu bitten, die Dachwohnung in ihrem Namen zu ve rkaufen.
Die junge Frau stand auf und lehnte sich gegen die Balkonbr üstung. Eingehüllt vom Duft der Geranien, die in den Kästen vor ihr blühten, überlegte sie, ob sie sich nicht in Tegernsee eine Wohnung kaufen sollte. Hier fühlte sie sich glücklich und geborgen, hier...
Carola seufzte leise auf. Zu ihrem Glück und ihrer Geborge nheit trug zum großen Teil Michael bei. Seine Liebe war es, die... Liebe? - Liebte er sie denn wirklich? Es gab nur zwei Möglichkeiten: entweder, sie hatte sich wochenlang etwas vorgemacht, oder er liebte sie von ganzem Herzen.
Sie lauschte in sich hinein. Wieder wurde ihr bewußt, daß sie viel zu heftig reagiert hatte. Vielleicht war es die unbewußte Angst gewesen, ihre Freiheit zu verlieren, wenn sie ihm ihr Jawort gab, denn immerhin hatte sie hier ja vor allen Dingen Freiheit gesucht.
Plötzlich sah Carola jemanden auf den See zugehen. Ihr Herz begann, schneller zu schlagen, als sie erkannte, daß es sich um Michael handelte.
Vermutlich konnte auch er nicht schlafen. Eine nie gekannte Sehnsucht ergriff von ihr Besitz. Sie wollte zu ihm laufen, wollte sich in seine Arme werfen...
Carola kehrte in ihr Zimmer zurück, schlüpfte in ihren Morgenmantel, kämmte sich rasch die Haare, warf einen letzten Blick auf ihr Pflegesöhnchen und trat in den Gang. Erst, als sie im Aufzug nach unten fuhr, fragte sie sich, ob sie nicht etwas zu leicht angezogen war, um durch die Hotelhalle zu gehen.
Es war schon spät und außer dem Nachtportier, der mü de hinter der Rezeption saß, hielt sich keiner in der Halle auf. Die junge Frau eilte mit einem flüchtigen Gruß an ihm vorbei. Er hatte kaum Zeit, die Augenbrauen zu heben, da trat sie auch schon ins Freie.
Michael Lange stand auf der Mole und schaute über das Wa sser. Zum ersten Mal im Leben hatte er sich richtig verliebt und gehofft, daß seine Liebe erwidert wurde, doch wie es aussah, hatte er sich all die Wochen nur etwas vorgemacht. - Aber warum? - Hatte Carola nur ein flüchtiges Abenteuer in ihm gesehen? - Er konnte es sich nicht vorstellen. Eine Frau wie sie...
»Michael!«
Der junge Hotelier zuckte zusammen. Er wagte nicht, sich umzudrehen. Vielleicht bildete er sich nur ein, ihre Stimme zu hören.
»Michael!«
Langsam, unendlich langsam wandte er sich um. »Carola?« flüsterte er und streckte eine Hand aus, um sie gleich wieder sinken zu lassen, als befürchtete er, einen Geist zu berühren.
»Ja«, sagte sie. »Ja, ich will.«
»Du willst?«
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