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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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ich dich windelweich, wie ich gesagt hab.«
    Dann ließ sie sich von ihm zeigen, dass er auf dem Fahrplan den richtigen Zug finden konnte, und schickte ihn zu W. H. Smith. Als Joel den Laden betrat - mit Toby im Schlepptau, der sein Hosenbein umklammert hielt -, verdrückte sie sich: ein Mädchen, das nicht gedachte, nach irgendjemandes Pfeife zu tanzen, ganz sicher nicht nach der ihrer Tante.
    Joel sah ihr durchs Schaufenster nach, bis sie in der Menge verschwunden war. Dann erstand er eine Zeitschrift und ein Aero und führte seinen Bruder zum Bahnsteig. Als sie im Zug saßen, gab er Toby die Schokolade. Ihre Mutter, entschied er, hatte eben das Nachsehen.
    Sofort schämte er sich für diesen Gedanken. Um ihn zu vertreiben, betrachtete er die graffitiverzierten Mauern auf beiden Seiten der Geleise und versuchte, einzelne Worte zu entziffern. Die Graffiti erinnerten ihn an Cal Hancock. Cal Hancock wiederum erinnerte ihn an seine Konfrontation mit The Blade und wie er sich anschließend in die Gosse erbrochen hatte, und das brachte ihn auf seinen Besuch bei Ivan Weatherall.
    Joel war dankbar gewesen, als er Ivan zu Hause angetroffen hatte. Falls der Mann Erbrochenes an ihm gerochen hatte, warer taktvoll genug gewesen, es nicht zu erwähnen. Er war gerade in der kritischen Phase eines Uhrenbaus und unterbrach seine Arbeit auch nicht, als er Joel einlud, ins Haus zu kommen und sich von den Weintrauben zu bedienen, die in einer angeschlagenen Porzellanschüssel auf dem Tisch standen. Stattdessen reichte er Joel einen grünen Zettel mit der Aufschrift »Führt Worte statt Waffen«. »Schau dir das mal an, und sag mir, was du davon hältst«, forderte er ihn auf, während er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Uhr richtete.
    »Was is'n das?«, fragte Joel.
    »Lies«, befahl Ivan.
    Es war die Ankündigung eines Schreibwettbewerbs. Das gewünschte Seitenformat war ebenso angegeben wie die Kriterien der Jury, und es wurden Geld und andere Preise ausgelobt. Der Hauptgewinn - fünfzig Pfund - war für eine Sache namens »Du hast das Wort« vorgesehen, was immer das sein mochte. Führt Worte statt Waffen fand in einem der Gemeindezentren der Gegend statt, im Basement Activities Centre in Oxford Gardens.
    »Kapier ich immer noch nich'«, sagte Joel, nachdem er den Handzettel studiert hatte. »Soll ich da was machen?«
    »Hmh. Das hoffe ich. Du sollst teilnehmen. Es ist ein Lyrik ... nun, ich denke, Lyrik-Event ist der richtige Ausdruck. Hast du einem solchen Event schon mal beigewohnt? Nein? Dann schlage ich vor, du kommst hin und schaust es dir einmal an. Vielleicht wirst du überrascht sein, wenn du siehst, wie es da zugeht. >Du hast das Wort< ist übrigens ein neues Konzept.«
    »Lyrik? Man sitzt da rum und redet über Gedichte oder so?« Joel verzog das Gesicht. Vor seinem geistigen Auge sah er einen Kreis ältlicher Ladys mit verrutschten Strümpfen, die sich für irgendeinen toten weißen Kerl begeisterten, von dem man höchstens einmal in der Schule hörte.
    »Wir schreiben Gedichte«, erklärte Ivan. »Das ist die Chance, sich selbst unzensiert auszudrücken - wenn auch nicht unkritisiert. Dafür sorgt das Publikum.«
    Joel schaute wieder auf den Zettel hinab und richtete sein
    Augenmerk auf die ausgelobte Summe. »Und was ist dieses >Du hast das Wort<-Dings?«
    »Ah, das Preisgeld hat dein Interesse geweckt, ja?«
    Joel antwortete nicht, aber natürlich überlegte er, was er mit fünfzig Pfund alles tun könnte. Eine Kluft tat sich auf zwischen dem, was er war - ein Zwölfjähriger, der für sein tägliches Brot und das Dach über dem Kopf von seiner Tante abhing -, und dem, was er als Erwachsener sein wollte, wenn er tatsächlich Psychiater werden würde. Neben der unbeirrbaren Entschlossenheit zum Erfolg, die er besaß, brauchte er für seine Ausbildung Geld, und das hatte er nicht. Er musste die Kluft zwischen dem, der er heute war, und dem, der er werden wollte, überwinden. Fünfzig Pfund mochten nicht viel sein, aber im Vergleich dazu, was Joel im Moment besaß, nämlich gar nichts, war es ein Vermögen.
    »Was müsste ich 'n machen?«
    Ivan lächelte. »Komm hin!«
    »Muss ich irgendwas schreiben, bevor ich hingeh?«
    »Nicht für >Du hast das Wort<. Das geschieht dort vor Ort. Ich gebe euch Wörter vor. Alle bekommen dieselben, und innerhalb einer bestimmten Zeit müsst ihr ein Gedicht verfassen, in dem diese Wörter vorkommen. Das beste Gedicht gewinnt. Eine Jury aus dem Publikum wählt es aus.«
    »Oh.« Joel

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