Am Ende war die Tat
Ness.
Kendra ignorierte sie. Seit einiger Zeit strahlte Ness eine spürbare Angespanntheit aus, leistete jedoch ihre gemeinnützige Arbeit zuverlässig, und darum war alles, was sie sagte oder tat, einigermaßen erträglich.
»Was is'n hier los?«, war Dix' Reaktion, als er die Verwandlung im Zimmer der Jungen zu Gesicht bekam.
»Es soll zeigen, dass Joel und Toby ein anständiges Zuhause haben.«
»Wer zweifelt denn daran?«
»Die Frau vom Jugendamt.«
»Die mit den Hunden? Meinste, die will Toby und Joel ins Heim stecken?«
»Ich weiß es nicht, aber ich habe nicht vor, tatenlos abzuwarten, bis es so weit ist.«
»Ich dachte, die wär wegen Toby und dem Lernzentrum gekommen.«
»Sie ist gekommen, weil sie überhaupt nichts von Tobys Existenz gewusst hat. Sie ist gekommen, weil sie keine Ahnung hatte, dass noch irgendwer außer Ness bei mir lebt, bis sie den Anruf vom Lernzentrum bekommen hat und ... Dix, was spielt das überhaupt für eine Rolle? Ich muss den Kindern eine anständige Umgebung schaffen, falls diese Frau mir irgendwelche Scherereien machen will, weil sie hier leben. Die Behörden interessieren sich schon viel zu sehr für Toby. Kannst du dir vorstellen, was es für Joel und Ness bedeuten würde, wenn sie ihn uns wegnähmen? Wenn sie irgendwie getrennt würden? Oder wenn ... verdammt, ich weiß auch nicht.«
Dix dachte darüber nach, während er Kendra beobachtete, wie sie altersschwache Laken und noch betagtere Decken auf zwei Betten glatt zog, die sie bei Oxfam entdeckt hatte und deren lange Geschichte an den Furchen und Kratzern an den Kopfteilen ablesbar war. Mit all den Möbeln im Zimmer blieb kaum genug Platz, um sich zu bewegen. Das Haus war winzig - nicht für fünf Bewohner gedacht. Die Lösung schien auf der Hand zu liegen, fand Dix.
»Ken, Baby, haste dich schon mal gefragt, ob das alles so richtig is'?«, fragte er.
»Was?«
»Was hier läuft.«
Sie richtete sich auf. »Was soll das heißen?«
»Ich mein die Tatsache, dass diese Frau hier aufkreuzt. Dass sie vielleicht darüber nachdenkt, den Kids ein anderes Zuhause zu suchen. Die Wahrheit is' doch, dass das hier nich' das Richtige für sie is'. Hier isses einfach zu eng, und jetzt wo diese Frau hier war und einen Bericht schreibt, scheint es mir der richtige Zeitpunkt zu sein ...«
»Worauf zum Teufel willst du hinaus?«, verlangte Kendra zu wissen. »Dass ich sie wegschicken soll? Ich soll zulassen, dass sie auseinandergerissen werden? Ich soll zusehen, wie sie mir weggenommen werden, ohne wenigstens zu versuchen, das zu verhindern? Und dann können du und ich was tun, Dix? Es wie die Karnickel in jedem Zimmer im Haus treiben?«
Er verschränkte die Arme und lehnte sich an den Türrahmen. Er antwortete nicht sofort, sodass Kendra Gelegenheit hatte, dem Nachhall ihrer eigenen Worte zu lauschen.
Schließlich sagte Dix leise: »Ich denke, es wird Zeit, dass wir heiraten, Kendra. Es wird Zeit, dass ich beweise, dass ich diesen Kindern ein richtiger Vater sein kann. Meine Eltern wollen, dass ich in ihr Geschäft einsteige und ...«
»Und was wird aus Mr. Universe? Willst du deine Träume einfach so aufgeben?«
»Manchmal begegnet man Dingen im Leben, die größer sind als Träume. Wichtiger. Du und ich, wir heiraten, und ich geh arbeiten. Wir könnten in ein größeres Haus ziehen, mit genügend Zimmern für ...«
»Mit gefällt dieses Haus aber.« Kendra war sich bewusst, dass sie schrill und unvernünftig klang, geradezu unheimlich, fast wie Ness, aber das war ihr egal. »Ich hab dafür geschuftet, ich hab eine Hypothek dafür aufgenommen, und ich zahle dafür. Das ist alles nicht leicht, aber es gehört mir.«
»Klar. Aber wenn wir in ein größeres Haus ziehen und heiraten, wird keine Sozialarbeiterin der Welt mehr auf die Idee kommen, dass die Kids irgendwo anders leben sollten als bei uns, verstehste. Wir wär'n eine richtige Familie.«
»Und du gehst jeden Tag zur Arbeit in die Kneipe? Und wenn du nach Hause kommst, riechst du nach Bratfett? Dann schaust du dein Arnold-Video an und zerfrisst dich von innen, weil du alles das aufgegeben hast für ... für was? Und warum?«
»Weil es das Richtige ist«, antwortete er.
Sie lachte, doch ihr Lachen hatte einen hysterischen Unterton, auf der Vorstufe zur Panik. »Du bist dreiundzwanzig!«, rief sie.
»Ich weiß genau, wie alt ich bin.«
»Dann weißt du vielleicht auch, dass das hier Heranwachsende sind - schwierige Kinder, denen das Leben schon übel mitgespielt
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