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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Kendra zur Kenntnis. »Wer ist das?«, fragte sie, und ihre Stimme wurde immer lauter. »Wer sind diese Leute, Joel? Wen hast du da mitgebracht? Wo ist Vanessa? Wo ist Ness? Wo hast du Ness gelassen?«
    »Ness wollte ... konnte nich' ... Mum, das hier sind Toby und Tante Kendra. Die kenns' du doch. Klar, Toby is' groß geworden. Schon fast acht jetz'. Aber Tante Ken ...«
    »To-by?« Caroles Bewusstsein wandte sich nach innen, als sie den Namen aussprach. Es durchforstete den Trümmerhaufen ihrer Erinnerung nach irgendeiner hilfreichen Information. In der Hocke wiegte sie sich vor und zurück, betrachtete den kleinen Jungen vor sich, dann Kendra, und versuchte zu begreifen, wer diese Leute waren und - noch wichtiger - was sie von ihr wollten. »To-by«, murmelte sie. »Toby. Toby.« Plötzlich hellte sich ihr Gesicht auf, als es ihr gelang, Toby mit einem Bild in ihrer Erinnerung zu verknüpfen. Joel seinerseits fiel ein Stein vom Herzen, und Kendra hatte das Gefühl, haarscharf einer Krise entgangen zu sein.
    Doch Caroles Zugriff auf die Realität war nicht stabiler alseine Münze, die auf der Kante steht, und plötzlich entglitt ihr die Erkenntnis wieder, und ihr Ausdruck verdüsterte sich. Sie schaute Toby direkt an, hob beide Hände, die Handflächen nach vorne, als wolle sie ihn abwehren. »Toby!«, schrie sie, und es klang nicht wie ein Name, sondern wie ein Vorwurf.
    »Genau, Mum«, sagte Joel. »Das is' unser Toby.«
    »Ich hätt dich fallen lassen sollen«, keifte Carole. » Als ich den Zug gehört hab. Ich hätt dich fallen lassen sollen, aber irgendwer hat mich gehindert. Wer? Wer hat mich gehindert, dich fallen zu lassen?«
    »Nein, Mum, du kanns' nich' ...«
    Sie vergrub die Hände tief in ihrem rötlichen Haar. »Ich muss nach Hause! Sofort, Joel! Ruf deinen Vater an, und sag ihm, dass ich nach Hause muss, und mein Gott, Gott, Gott, warum kann ich mich an nichts erinnern?«
    5
    Es gehörte zu Mr. Eastbournes Aufgaben zu merken, wenn einer seiner Schüler im Begriff war, Schiffbruch zu erleiden. Sein Fachgebiet hieß nicht umsonst Persönlichkeits-, Sozial- und Gesundheitsbildung, kurz: PSG. Weil er derzeit allerdings geistig, seelisch und emotional sehr von seiner unglücklichen Beziehung zu einer arbeitslosen, selbstmordgefährdeten Schauspielerin in Anspruch genommen war, dauerte es ein Weilchen, bis er erkannte, dass Joel Campbell Unterstützung brauchte. Es wurde ihm erst bewusst, als einer seiner Kollegen Joel zum dritten Mal in Folge aus dem Versteck holte, wo der Junge sein Mittagessen einnahm, und ihn bei Mr. Eastbourne zu einem vertraulichen Gespräch ablieferte, das Joels Probleme ans Licht bringen sollte. Dabei waren die Probleme des Jungen durchaus offenkundig: Er blieb für sich, hatte keine Freunde, redete nur, wenn er angesprochen wurde, und selbst dann nicht immer, und in den Pausen versuchte er, mit dem Mobiliar, dem Schwarzen Brett oder einem sonstigen Hintergrund seiner Umgebung zu verschmelzen. Was es in Joels Psyche jedoch zu ergründen galt, waren die Ursachen für dieses Problem.
    Mr. Eastbourne besaß eine Eigenschaft, die ihn als PSG-Leh- rer besonders prädestinierte: Er kannte seine Grenzen. Er verabscheute aufgesetzte Leutseligkeit, und er wusste, der Versuch, einem problemgeplagten Jugendlichen kumpelhaft zu begegnen, war zum Scheitern verurteilt. Also griff er auf die Mentorengruppe der Schule zurück - einen Pool Freiwilliger aus der näheren Umgebung, die gewillt waren, Schülern mit so unterschiedlichen Problemen wie Leseschwäche oder Angststörungen zu helfen. So kam es, dass Joel nicht lange nach dem Besuch bei seiner Mutter in einen Raum geführt wurde, wo er sich einem höchst merkwürdig aussehenden Engländer gegenüberfand.
    Sein Name war Ivan Weatherall - ein weißer Mann jenseits der fünfzig, der karierte Jacketts mit Lederflicken mochte und ausgebeulte Tweedhosen, die zu hoch in der Taille saßen und sowohl von Hosenträgern als auch von einem Gürtel gehalten wurden. Er hatte fürchterlich schlechte Zähne, aber wohlriechenden Atem, chronische Schuppen, aber immer frisch gewaschene Haare, manikürte Fingernägel, ein glattrasiertes Kinn und gewienerte Schuhe. Ivan Weatherall wusste, was es bedeutete, ein Außenseiter zu sein: Im Internat hatte er unter allerhand Schikanen gelitten, und er hatte eine so unterentwickelte Libido, dass er seit seinem dreizehnten Lebensjahr das Stigma des Sonderlings trug.
    Er hatte eine höchst eigentümliche Art zu reden. Sie

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