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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Mädchen, würden neben der Kasse aufgehängt. Sollten sie sich in diesem Laden je wieder blicken lassen ... Den Rest konnten sie sich wohl denken.
    Die ganze Episode ging Six mächtig gegen den Strich. Sie war eine solch erniedrigende Behandlung nicht gewohnt, weil sie normalerweise nicht erwischt wurde. Und sie wäre auch dieses Mal nicht geschnappt worden, hätte Natasha sich nicht in den Kopf gesetzt, selbst etwas mitgehen zu lassen. »Scheiße, Tash, du bist echt so 'ne dämliche Kuh«, schimpfte sie, doch das allein schien ihr nicht die Befriedigung zu bereiten, nach der sie dürstete. Also suchte sie nach einem anderen Ventil - und visierte Ness an, allerdings nicht geradeheraus. Wie die meisten Menschen, die unfähig waren, ihre eigenen Emotionen zu begreifen, übertrug sie das, was sie empfand, auf etwas weniger Angsteinflößendes: Der Mangel an Geld war ein geeigneter Ersatz für den Mangel an Lebensperspektive.
    »Wir müssen irgendwie an Kohle komm'«, sagte sie. »Es hat kein' Zweck, Sachen zu klau'n und zu vertick'n. Das dauert ewig.«
    »Genau«, antwortete Tash und fügte sich wieder in die Rolle der Gehorsamen, die Six immer zustimmte. Sie fragte nicht einmal, wozu sie das Geld benötigten. Six würde schon gute Gründe haben. Geld war immer nützlich, vor allem wenn die Fahrradkuriere einmal nicht willens waren, ein Gramm aus ihren mit Drogen gefüllten Butterbrottüten gegen sexuelle Gefälligkeiten einzutauschen.
    »Also, wo kriegen wir was her?« Six durchwühlte ihre Schultertasche und förderte eine Packung Dunhill zutage, die sie in ei-nem Tabakladen an der Harrow Road geklaut hatte. Sie fischte eine Zigarette daraus hervor, ohne den anderen ebenfalls eine anzubieten. Da sie weder Streichhölzer noch ein Feuerzeug bei sich hatte, drehte sie sich zum Gehweg um und hielt eine weiße Frau mit Kinderwagen an und verlangte nach irgendetwas, »mit dem man die Kippe hier anzünden« konnte. Die Frau zögerte. Ihr Mund war geöffnet, aber die Worte wollten nicht heraus. »Haste nich' gehört, Alte?«, fragte Six. »Ich brauch Feuer, und du has' doch bestimmt irgendwas in deiner Tasche da.«
    Die Frau schaute sich Hilfe suchend um, doch das Überlebensmotto in London - gemäß dem Prinzip »Besser, sie kriegen dich dran als mich« - besagte, dass ihr niemand zu Hilfe kommen würde. Hätte sie Six angefahren: »Hau ab, du Miststück, oder ich schrei so laut, dass dir die Trommelfelle platzen«, hätte das Mädchen vor Überraschung wahrscheinlich genau das getan. Doch stattdessen begann das bedauernswerte Opfer, in seiner Tasche zu wühlen. Six erspähte das Portemonnaie, registrierte sein Volumen, spürte die Befriedigung, die sich einstellt, wenn einem unverhofft ein Hauptgewinn dargeboten wird, und befahl der Frau, das Geld herauszurücken.
    »Is' nur geliehen«, erklärte sie lächelnd. »Es sei denn, du wills' mir was schenken oder so.«
    Ness, die die Szene beobachtete, sagte warnend: »Hey, Six.« Ladendiebstahl war eine Sache, Straßenraub eine völlig andere.
    Doch Six ignorierte sie. »Zwanzig Pfund is' genug«, erklärte sie. »Das Feuerzeug nehm ich auch, falls ich noch eine rauchen will.«
    Die ganze Aktion sah nicht wie ein Raubüberfall aus, und so konnte Six sie reibungslos zu Ende führen. Die Frau, die an das Wohlergehen ihres Kindes zu denken hatte und weit mehr als zwanzig Pfund bei sich trug, war erleichtert, so billig davonzukommen. Sie überreichte Six das Feuerzeug und einen Zwanziger, den sie aus dem Portemonnaie holte, ohne es ganz zu öffnen, damit Six nicht den ganzen Inhalt einsehen konnte, und setzte ihren Weg dann hastig fort.
    »Ha!«, rief Six aus, euphorisch über den Ausgang dieses kleinen Abenteuers. Dann fiel ihr Blick auf Ness, die alles andere als die erwartete Zustimmung zur Schau trug.
    »Was? Biste zu fein für so was?«
    Ness gefiel nicht, was sie gerade gesehen hatte, aber sie wusste, es war klüger, keinen Kommentar abzugeben. Stattdessen sagte sie: »Gib ma' ne Kippe. Ich kann jetz' eine vertragen.«
    Das überzeugte Six nicht. Sie, für die es lebenswichtig war, ihren Verstand zu gebrauchen und die Menschen, mit denen sie es zu tun hatte, korrekt einzuschätzen, registrierte die Missbilligung. »Besorg dir doch selbs' welche, Süße«, gab sie zurück. »Ich bin das Risiko eingegangen, und du wills' was vom Profit abhaben?«
    Ness machte große Augen. »Stimmt doch gar nich'.«
    »Tash?«, fragte Six. »Stimmt's oder nich', Alte?«
    Natasha suchte nach

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