Am Ende zählt nur das Leben
Bad, während Cay im Wohnzimmer auf dem Sofa wartete.
»Schau nicht auf den Teststreifen! Lass uns gemeinsam das Ergebnis ablesen!«, rief er mir hinterher.
»Ja, aber wie soll ich das hinkriegen? Soll ich etwa meine Augen schließen, während ich den Test mache?«
»Jedenfalls nicht auf den Streifen schauen.«
Ich tat mein Bestes und hielt meine Neugier in Zaum.
»Ich bin dann so weit!«, sagte ich, kam aus dem Bad und hielt den Schwangerschaftstest hinter meinen Rücken. Wir waren total aufgeregt. Ich war zweiundzwanzig Jahre alt, Cay achtunddreißig.
Gemeinsam blickten wir auf den Teststreifen.
»Positiv!«, riefen wir wie aus einem Munde und fielen uns in die Arme.
Ich war so glücklich!
Bereits am nächsten Tag ging ich zum Frauenarzt und redete mit meinem Arbeitgeber über das Ergebnis. Philipp musste so früh wie möglich darüber informiert werden, weil sich durch die Schwangerschaft mein Arbeitsalltag änderte. Ich durfte den Patienten kein Blut mehr abnehmen, sie nicht mehr röntgen und wegen einer möglichen Infektionsgefahr auch keine Spritzen mehr setzen.
Schnell freundete ich mich mit der Vorstellung an, Mutter zu werden. Und auch Cay wirkte glücklich und freute sich auf das Baby. Unsere Zukunft schien perfekt!
Am Abend saßen wir im Pizza-Hut und genehmigten uns ein Abendessen. Mit meinen Kochkünsten stand es noch immer nicht zum Besten, und wir brauchten dringend etwas Warmes im Bauch. Während des Essens neckten wir uns und alberten herum, als die Worte wie von selbst aus mir hervorsprudelten.
»Na, Cay, mein Lieber, was hältst du eigentlich davon, mich zu heiraten?«
»Ach joh, keine schlechte Idee. Könnte glatt von mir sein«, sagte er mit einem breiten Grinsen, und ich prustete los.
»Was heißt joh? Ja?«
»Ja! Ja, können wir machen.«
»Ernsthaft?«
»Ja!«
»Gut.«
Und damit gingen die Planungen auch schon los. Unser Kind sollte selbstverständlich seinen Familiennamen tragen. Und Cay wusste auch, dass er nicht in irgendeinem Standesamt der Stadt heiraten wollte. Es musste eine vornehme Adresse sein, wie das Schloss Solitude. Schließlich würde der Ort für immer in den Hochzeitsdokumenten stehen. Genauso wichtig war es auch, dass ich seinen Namen annahm.
Nachdem ich meine Eltern bereits mehrfach nach Stuttgart eingeladen hatte, rafften sie sich im Spätsommer endlich zu einem Besuch auf. Jetzt, wo sie wussten, dass wir eine Familie gründeten, waren sie ganz erpicht darauf, mein neues Zuhause kennenzulernen.
Es war die Zeit des Cannstatter Wasen, des riesigen Volksfests, das jeden Spätsommer abgehalten wird und zu dem die Leute von weit her anreisen. Ich schlug vor, über den Festplatz zu gehen, denn normalerweise gefällt es dort allen Besuchern. Der Wasen ist eine besondere Attraktion, und schon auf dem Parkplatz strömten uns die Besucher entgegen.
Meine Mutter bewegte sich verschüchtert und mit hochgezogenen Schultern durch die Menschenmenge. Sie war solchen Trubel nicht gewohnt, und es wurde ihr schnell zu viel.
Ich versuchte alles, damit sie sich wohl bei uns fühlte, aber nicht nur ich merkte ihr an, dass sie lieber zu Hause geblieben wäre. Nach wie vor war sie unglücklich darüber, dass ich weit weg in einer süddeutschen Großstadt lebte. Ihrer Meinung nach gehörte ich nicht hierher. Sie schien an meinem Glück zu zweifeln, dabei ging es mir prächtig.
Meinem Bäuchlein konnte man die Schwangerschaft zwar noch nicht ansehen, aber ich fühlte mich rundum wohl als werdende Mutter und Ehefrau.
Mein Vater ging am nächsten Tag noch einmal mit Cay über den Festplatz. Ihm hatten die Hendl und das Weißbier vorzüglich geschmeckt, und er verspürte Lust auf mehr.
Sehr zu meiner Freude näherten sich die beiden im Laufe der nächsten Tage einander an. Bald fand auch mein Vater, dass Cay eigentlich ein ganz netter Kerl sei. Das machte mich froh und nahm mir etwas von dem Druck, den ich immer noch spürte, wenn es um mein Leben mit Cay ging. Bald würde er mein Ehemann sein, und als solcher sollte er nun mal von meinen Eltern akzeptiert und am liebsten sogar gemocht werden. Mein Vater schien auf dem besten Wege dorthin zu sein.
Nur meine Mutter blieb skeptisch und trauerte immer noch Robert hinterher.
Warum konnte sie sich nicht für mich freuen? War es, weil ich als ihr Nesthäkchen so weit fort von daheim war? Oder war es der untrügliche mütterliche Instinkt, der sie warnte und sie ahnen ließ, dass etwas ganz und gar nicht stimmte? Cay und ich waren
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