Am Fluss des Schicksals Roman
spielt keine Rolle, wer er ist, Ned. Joe Callaghan ist mein Vater und wird es immer bleiben, und du bist mein Lieblingsonkel. Das ist alles, was für mich zählt.« Sie drückte Ned an sich.
»Wirst du Joe sagen, wer deine leibliche Mutter ist?«, fragte er weiter.
»Nein«, gab Francesca leise zurück. »Regina und ich sind geschiedene Leute.«
Obwohl es unnachgiebig klang, war Ned erleichtert.
Über Neds Schulter hinweg konnte Francesca Joe am Heck der Marylou sehen, wo er mit Lizzie saß. Nie zuvor hatte sie so viel Liebe und Dankbarkeit verspürt wie in diesem Augenblick. Auch wenn ihre eigene Mutter sie einem ungewissen Schicksal ausgesetzt hatte, konnte sie sich mehr als glücklich schätzen, dass sie von Joe und Mary Callaghan und ihrem Maschinisten Ned Guilford gerettet worden war.
Francesca wusste, dass sie in jener Nacht auf dem Fluss bei Boora Boora einen Schutzengel gehabt hatte.
32
I ch kann nicht mehr untätig herumliegen«, sagte Neal und
setzte sich mühsam auf. Er stöhnte, weil sein Körper protestierte und das Hämmern in seinem Schädel ihn daran erinnerte, dass er seit über zwei Wochen zur Untätigkeit verdammt war.
»Es besteht kein Grund zur Eile, Neal. Du musst dich mindestens noch eine weitere Woche lang schonen«, entgegnete Francesca. »Dr. Carmichael hat dir strenge Bettruhe verordnet, und wir müssen seine Anordnungen befolgen.«
»Währenddessen lauert Silas irgendwo und wartet nur darauf, zuzuschlagen. Du bist in Gefahr. Es nützt weder dir noch sonst jemandem, wenn ich hier herumliege.«
Francesca wusste, dass Neal verzweifelt war. »Silas wurde seit mehr als zwei Wochen nicht gesehen, Neal. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
»Vielleicht will er dich entführen. Das wäre ihm zuzutrauen. Er lässt sich wahrscheinlich nur nicht blicken, um uns alle in Sicherheit zu wiegen.«
»Du hast eine lebhafte Fantasie, Neal.« Francesca lachte, musste aber gestehen, dass sie ebenfalls beunruhigt war. »Dad und Ned behalten mich ständig im Auge. Mir kann nichts geschehen.«
Neal griff sich an die linke Seite, seine Rippen schmerzten. Obwohl seine Prellungen allmählich abklangen, hatte Francesca den Verdacht, dass er eine Gehirnerschütterungerlitten hatte, die er jedoch verschwieg. »Ich muss an die frische Luft, Francesca. Hilfst du mir an Deck?«
Francesca konnte sich vorstellen, dass Neal sich fühlte, als wäre er eine Ewigkeit eingesperrt gewesen. »Also gut«, sagte sie. »Draußen ist herrliches Wetter, und vielleicht tun dir die Sonne und die frische Luft ja gut.«
»Das hoffe ich«, entgegnete er und zwinkerte ihr anzüglich zu.
Behutsam stand er auf, und Francesca half ihm an Deck, wo er sich auf einen Stuhl sinken ließ, der in der Sonne stand. »Offenbar waren Joe und Ned sehr fleißig«, bemerkte er, als er den Blick umherschweifen ließ. Sie hatten die Lackierung ausgebessert und die Seile erneuert, mit denen die Reling abgesichert war, sowie zahlreiche kleinere Arbeiten verrichtet, die lange Zeit vernachlässigt worden waren.
»Ja, jetzt sieht die Marylou wieder richtig schmuck aus, nicht wahr?«, erwiderte Francesca. Sofort bereute sie ihre unbedachte Äußerung – Neal schmerzte der Verlust der Ophelia immer noch sehr. »Sobald dir die Versicherungssumme ausbezahlt wird, kannst du ein neues Schiff in Auftrag geben«, fügte sie rasch hinzu.
Neal nickte. »Aber ich weiß nicht, von wem ich es bauen lassen soll. Ezra war der Beste seines Fachs.«
»Du wirst schon jemanden finden. Möchtest du einen Tee?«
»Gern.«
Lizzie war in der Kombüse und kochte.
»Das riecht köstlich«, sagte Francesca, als sie hereinkam, um für Neal Tee zu kochen.
»Es gibt Auflauf mit Huhn und Pilzen«, sagte Lizzie.
»Dad schwärmt immer noch von dem Auflauf, den Sie letzte Woche gemacht haben.«
Lizzie strahlte. Es machte ihr Freude, Joe und Ned zu bekochen. Den beiden schmeckte, was sie ihnen auftischte, undso fühlte sie sich nützlich. »So kann ich mich ein wenig für die Liebenswürdigkeit Ihres Vaters revanchieren«, sagte sie, »und außerdem macht es mir Spaß.«
Lizzie hatte offenbar großen Gefallen am Leben auf dem Fluss entwickelt. »Dad und Ned werden Sie niemals ziehen lassen, wenn Sie weiterhin so gut für die beiden kochen«, sagte Francesca.
Das wäre zu schön, um wahr zu sein, ging es Lizzie durch den Kopf. Obwohl sie im Bordell nur wenig Hausarbeit gemacht hatte, genoss sie es aus vollem Herzen, sich an Bord der Marylou nützlich zu machen,
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