Am Fluss des Schicksals Roman
diesen Namen nicht mehr«, stieß sie hervor. »Ich heiße Henrietta Chapman.«
»Verzeihung, Miss Chapman. Bitte, sagen Sie mir, wo Francesca steckt, falls Sie es wissen. Es gab ein Missverständnis zwischen uns.«
»So nennen Sie das also?«, sagte Henrietta, verschränkte die Arme und schürzte die Lippen.
»Ja.« Neal war sichtlich unbehaglich zumute. »Ich weiß, sie hat mich vor dem Bordell gesehen, aber was sie jetzt sicher vermutet, stimmt nicht.«
Henrietta hob skeptisch die Augenbrauen.
»Ich liebe Francesca«, sagte Neal. »Sie ist die Frau meines Lebens.«
Henrietta entgegnete nichts darauf. Stattdessen starrte sie Neal mit eisigem Blick an. Sie musste gestehen, dass Neal ein sehr attraktiver Mann war und dass die beiden ein reizendes Paar abgaben. Jammerschade, dass er alles vermasseln musste. Aber das hatte er sich selbst zuzuschreiben.
»Ich kenne sämtliche Ausreden der Männer für ihre Lüsternheit, Mr Mason. Sie müssen sich schon etwas Besseres einfallen lassen, um mich milde zu stimmen.«
Neal erkannte, dass es kein leichtes Unterfangen sein würde, Henrietta zu bewegen, ihm Francescas Aufenthaltsort zu verraten. Ihm blieb nur eines. »Wissen Sie, wo meine Frau ist, Miss Chapman?«
»Schon möglich«, entgegnete Henrietta herausfordernd.
»Darf ich eintreten?«
Henrietta wich nicht von der Stelle.
»Geben Sie mir nur fünf Minuten Ihrer Zeit. Damit retten Sie meine Ehe und helfen meiner Frau, ihr Gleichgewicht wiederzufinden.«
»Sind Sie sicher, Mr Mason?«
»So sicher, wie ich hier stehe.«
34
W arum haben Sie Francesca das nicht gesagt?«, fragte Henrietta vorwurfsvoll.
»Ich hatte Angst vor ihrer Reaktion«, gestand Neal. »Selbst wenn sie mir die Gelegenheit gibt, mit ihr zu sprechen, habe ich sie womöglich für immer verloren.«
»Darauf müssen Sie gefasst sein«, entgegnete Henrietta, die ihn nicht so leicht davonkommen lassen wollte. Männer waren sich manchmal selbst ihr größter Feind, wie sie nur zu gut wusste.
»Bitte, sagen Sie mir, wo Francesca ist!«, flehte Neal.
Kurz darauf rannte er zum Bahnhof. Er hörte bereits den Pfiff der Dampflok, die zur Abfahrt nach Melbourne bereitstand, und das Herz schlug ihm bis zum Hals. Als er den Bahnhof erreichte, kontrollierte der Schaffner gerade die Fahrausweise der letzten Passagiere, die zustiegen. Neal drängte die Leute zur Seite und sprang auf einen Wagon auf.
»He«, rief der Schaffner und kam ihm hinterher. »Wo ist Ihre Fahrkarte?«
Neal eilte weiter durch die Zugabteile auf der Suche nach Francesca. Er sah, dass ein zweiter Schaffner über den Bahnsteig rannte, der ihn durch die Fenster verfolgte und ihm etwas zurief, doch Neal beachtete den Mann nicht. Er würde nicht zulassen, dass der Zug mit Francesca an Bord abfuhr.
Als er die Tür des letzten Abteils aufstieß, entdeckte er Francesca zusammengekauert und weinend auf einem Sitz inder Ecke. Er eilte auf sie zu, hörte aber schon die Schritte des Schaffners hinter sich.
Als Francesca Neal erblickte, riss sie entsetzt die Augen auf. »Lass mich in Ruhe!«, fauchte sie ihn wütend an. Andere Fahrgäste drehten sich erstaunt nach ihr um.
Kurz entschlossen nahm Neal sie in die Arme und rannte mit ihr zum Ende des Zuges, wo er auf die Schienen sprang, um dem Schaffner auf dem Bahnsteig nicht in die Arme zu laufen.
»Was machst du da?«, stieß Francesca wütend hervor. »Lass mich sofort runter!«
Der Schaffner, der Neal durch den Zug verfolgt hatte, sah durch die offene Abteiltür nach draußen. »Alles in Ordnung, Miss?«
»Es heißt ›Mrs‹«, rief Neal zurück. »Sie ist meine Frau.«
»Nein, bin ich nicht«, widersprach Francesca. »Sehen Sie denn nicht, dass ich entführt werde?«, rief sie dem Schaffner zu, erbost darüber, dass Neal sie sich einfach geschnappt hatte. »Rufen Sie die Polizei!«
»Francesca, bitte, hör mich nur fünf Minuten an«, flehte Neal. »Wenn du mich dann immer noch verlassen willst, kannst du morgen in den Zug steigen, ohne von mir aufgehalten zu werden. Bitte.«
Francesca sah zu dem Schaffner, der den Kopf schüttelte, nachdem er erkannt hatte, dass es sich um einen Ehekrach handelte. »Wir müssen jetzt abfahren«, sagte er mit Blick auf seine Taschenuhr. »Möchten Sie immer noch, dass die Polizei verständigt wird?«
Francesca schüttelte den Kopf, und Neal seufzte erleichtert.
»Egal was du sagst – nichts kann meinen Entschluss ändern«, sagte sie, wobei sie gegen die Tränen ankämpfte. »Du zögerst bloß
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