Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
Feststellung.
»Nein«, räumte ich ein. »Obwohl mir unbegreiflich ist, wie ich Sie vergessen konnte.«
Sie quittierte das Kompliment mit einem Blick von der Art, die mehr andeutet, als etwas zu versprechen, und trotzdem jeden Mann gefügig macht. Freundlich war der Blick allerdings nicht.
»Es ist ungefähr zehn Jahre her. Sie waren zu Besuch in der Londoner Niederlassung von Case , und ich war als Ihr Faktotum abgestellt.«
»Ich muss einen extremen Jetlag gehabt haben«, erwiderte ich. Doch dann fiel mir ein Gesicht ein. Ein ganz anderes Gesicht – und ein anderer Körper. Glattes Haar, rosiger Teint, eine viel fülligere Frau, aber mit denselben grünen Augen hinter einer riesigen Brille. Sie hatte zwei Wochen voller Kundengespräche bestens organisiert, mich jeweils vorbereitet, mich durch die Stadt geführt und – wenn nötig – sogar chauffiert. »Warten Sie. Tut mir leid. Diane ...?«
Sie nickte. »Havell. Damals hatte ich noch meinen Mädchennamen.«
»Es war sehr angenehm, eine Amerikanerin als Dolmetscherin zu haben.« Allmählich kehrte die Erinnerung zurück. »Jemanden, der mich davor bewahrt hat, jedes Mal beim Überqueren der Straße vor ein Auto zu laufen.«
»Und der Ihnen eine Kneipe gezeigt hat, wo es ein kaltes Bier gab.«
»Aber Sie waren ...« Ich stockte, suchte nach einem Wort, dass nicht kränkend wäre.
»Schwanger. Im sechsten Monat.«
»Ach«, erwiderte ich. Auf diese Idee war ich nie gekommen.
»Den Namen Hochstadt habe ich erst angenommen, alsunsere Tochter in die Schule kam. Dadurch wurde alles viel einfacher.«
»Ach«, wiederholte ich, während ich noch versuchte, die Einzelteile zu einem stimmigen Bild zusammenzufügen. »Es schmeichelt mir, dass Sie sich an mich erinnern.«
»Sie waren berühmt.«
Noch nicht berüchtigt.
»Und Ihre Tochter? Wo ist sie jetzt?« Es gab nicht den kleinsten Hinweis darauf, dass jemals ein Kind einen Fuß in dieses sterile Wohnzimmer gesetzt hatte.
»Im Internat. In der Schweiz. Sowie das alles hier«, sie wedelte mit einer Hand, »erledigt ist, will ich zu ihr.«
»Und Ihr Mann?«
»Ex-Mann demnächst«, korrigierte sie. »Der Schleimer wohnt in Greenwich. Jetzt im Frühjahr hab ich ihn gebeten auszuziehen. Was das angeht, hat er sich erstaunlich anständig verhalten. Was wollen Sie denn von ihm?«
»Ich muss ihn ein paar Dinge fragen.«
»Schon klar«, sagte sie verächtlich. »Bestimmt wegen Arrowhead . Und eurer alten Clique.«
Ich hatte Mühe, ihr zu folgen. Mit dem Austauschen netter Erinnerungen und lockerem Plaudern war es jedenfalls vorbei.
»Ich habe diesen Namen vor einer Woche zum ersten Mal gehört. Sie denken vielleicht, Sie wüssten alles über mich, aber da täuschen Sie sich.« Daran würde Maloney zu knacken haben, aber meine Hoffnung war, dass ich ihr doch ein paar Informationen entlocken konnte. Ich musste sie nur zum Reden bringen.
Sie wandte den Blick ab. »Sprechen Sie mit meinem Mann.« Sie ratterte seine Adresse herunter.
Ich machte mir nicht die Mühe, sie zu notieren – bestimmt gab Brady sie bereits in das Navigationsgerät ein.»Sie haben mir schon einmal geholfen, Diane, und jetzt könnten Sie es wieder tun. Bitte! Es ist wichtig. Welche alte Clique haben Sie eben gemeint?«
»Sie verlangen, dass ich Ihnen traue, Jason?«
Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen. Maloney würde einen hysterischen Anfall erleiden. »Ich bin von Weld Securities engagiert worden, um mir deren Geschäfte mit Arrowhead genauer anzuschauen. Was ich bisher herausgefunden habe, kann für etliche Leute sehr unangenehm werden. Aber ich brauche Hilfe. Nennen Sie mir Namen, Diane, bitte!«
Sie hob den Blick wieder und starrte mich feindselig an. »Denen verdanke ich das Ende meiner Ehe. Diesen Ex- Case -Leuten. Ich hatte einen netten Mann. Nicht gerade ein Held, aber er hat mich behandelt wie eine Königin. Er hat im Back-Office-Bereich eines kleinen Hedgefonds gearbeitet – hat Geld rund um die Welt hin und her geschoben, um es vor dem Fiskus zu retten. Darin war er gut. Dann wurde er von Arrowhead abgeworben. Die haben ihm eingeredet, er sei ein Trader, und ihn damit in das schlimmste Nervenbündel verwandelt, das Sie je erlebt haben.«
»Das Geschäft frisst manche Leute auf. Nicht jeder eignet sich zum Traden.«
Jetzt schnaubte sie. »Er war kein Trader. Er kam nach Hause und erzählte die tollsten Geschichten von bedeutenden Abschlüssen unter großen Playern, als wüsste er über die Märkte besser Bescheid als
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