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Am Fuß des träumenden Berges

Am Fuß des träumenden Berges

Titel: Am Fuß des träumenden Berges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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tauchte die Szene vor ihren Augen in ein gespenstisch bläuliches Licht.
    Der Tisch in der Mitte der Küche war leergefegt, Mary lag bäuchlings darauf. Der schwarze Rock war ihr bis zur Hüfte hochgeschoben worden, und hinter ihr stand Tim Ricket, in einer Hand eine halbleere Champagnerflasche. Mit der anderen Hand drückte er Marys Kopf brutal auf die Tischplatte. Die Hände des Mädchens fuhren haltlos durchs Leere.
    «Mr. Ricket.»
    Er fuhr zu ihr herum, und Audrey wandte instinktiv den Kopf ab und kniff die Augen zu. Trotzdem sah sie, dass er die Hose runtergelassen hatte.
    Dieser kurze Moment der Ablenkung genügte Mary, um sich aus Mr. Rickets Griff zu befreien. Flink ließ sie sich vom Tisch gleiten, mit wenigen Schritten war sie an Audrey vorbei, und das Klatschen ihrer nackten Füße auf den Fliesen entfernte sich.
    «Eh, ist die Party schon vorbei?», lallte er.
    Er war völlig betrunken.
    Audrey kannte sich mit Säufern nicht aus. Hin und wieder hatte ihr Vater von den Trinkern seiner Gemeinde erzählt, wenn ihn deren Frauen riefen, um ihnen ins Gewissen zu reden. Er sagte, viele wüssten am nächsten Morgen nicht mehr, was sie getan hätten, und seien sich dann auch keiner Schuld bewusst.
    «Es ist spät. Sie sollten lieber zu Bett gehen», sagte Audrey leise.
    «Ja, Bett. Gute Idee.» Er rülpste. «Was machen Sie hier eigentlich? Passt Ihr Verlobter nicht auf Sie auf?»
    «Matthew sucht Mary. Sie soll mir helfen.» Plötzlich kam ihr eine Idee. «Sie ist sehr anstellig. Könnten Sie sich vorstellen, sie mir zu überlassen?»
    «Meine Mary? Meinen Augenstern?»
    Er trank, wischte sich über den Mund und stierte Audrey an. Sein Blick gefiel ihr nicht; darin blitzte etwas Gefährliches auf.
    «Es wäre wirklich sehr großzügig von Ihnen. Verstehen Sie, ich habe noch kein Mädchen, und jetzt muss ich da hinaus in die Wildnis …» Ihre Stimme zitterte, aber nicht, weil sie sich vor der Wildnis fürchtete.
    Matthew rief nach ihr.
    «Bitte?», flehte sie.
    «Meine Mary. Die geb ich nicht her.»
    «Audrey!»
    Matthew kam näher. Wenn sie Mr. Ricket Mary nicht abwerben konnte, würde sich nichts ändern.
    «Hier bist du.»
    Matthew tauchte hinter ihr auf dem Treppenabsatz auf.
    «Ich habe Mary gesucht.»
    «Ich hab sie gefunden und nach oben in dein Zimmer geschickt.» Sie spürte, dass Matthew zwischen ihr und Mr. Ricket hin- und herschaute. «Ist hier alles in Ordnung?»
    «Ja», sagte Audrey. «Ich habe Mr. Ricket gerade gefragt, ob er mir Mary länger überlassen würde, damit ich sie nach The Brashy mitnehmen kann. Er ist einverstanden!»
    Das war riskant, aber sie wusste sich nicht anders zu helfen.
    «Das …» Mr. Ricket klappte den Mund zu. Er bückte sich und zog mit der freien Hand seine Hose hoch. Audrey drehte sich zu Matthew um. «Darf ich sie haben?», fragte sie.
    «Natürlich», sagte Matthew geistesabwesend. Sie spürte, dass er starr vor Schrecken war, dass die Situation hochgefährlich werden konnte. Dann raschelte Kleidung, ein Gürtel wurde geschlossen. Matthew nahm ihre Hand. «Komm», sagte er. «Das ist …»
    Kein Anblick für eine Dame. Er sprach es nicht aus.
    Sie tanzte glücklich neben ihm her. Ich darf Mary mitnehmen, dachte sie zufrieden. Dann bin ich nicht gar so allein auf The Brashy.
    Als sie in der Eingangshalle waren, blieb Matthew stehen und ließ ihre Hand los. «Was war das grad da drin?», fragte er.
    «Er hat … Mary.» Mehr brachte Audrey nicht über die Lippen. Es war zu unvorstellbar, um es in Worte zu fassen.
    Matthew nickte. «Du solltest eins wissen, Audrey. Hier werden einige Dinge anders gehandhabt als daheim in Europa. Das meiste geht uns nichts an. Wir sind hier alle recht geübt darin wegzuschauen, solange die Ungerechtigkeit nicht zum Himmel schreit. Und wir kümmern uns vor allem um unseresgleichen.»
    Audrey nickte, obwohl sie nicht verstand.
    «Mach das nie wieder, hörst du?»
    «Ich versprech’s.» Sie senkte verlegen den Blick.
    «Ich werde ihm sagen müssen, wie unmöglich ich dein Verhalten finde, aber dass ich dir keinen Wunsch abschlagen kann. Und dass du nun mal neu hier bist und dich nicht auskennst.»
    «Dann sag ihm das alles», sagte Audrey. «Aber ich will sie mitnehmen. Sie … du hättest sehen müssen, wie sie mich angeschaut hat, Matthew. Wie ein geschundenes Tier!»
    «Vielleicht, weil du die beiden gestört hast», brummte Matthew. Er führte Audrey zur Treppe. «Bist du schon mal auf die Idee gekommen?»
    «Sie hat sich

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