Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht
WORTLOSER SCHOCK
Jerry und ich, wir sind beide müde. Wir gehen hinunter in mein Zimmer, obwohl meine Eltern mit Süßigkeiten und einem coolen Film im Fernsehen locken.
»Er ist so müde, nachdem er den Brocken gefangen hat«, höre ich meinen Vater sagen. »Der arme Jerry.«
Aber als wir im Bett liegen, können wir doch nicht schlafen.
Als würde der Tag uns keine Ruhe lassen.
Mein Wolfsjunge taucht wieder auf und läuft in meinem Körper hin und her. Schafft jede Menge Unruhe, pfeift und flüstert vor sich hin.
Jerry redet von Maggie, ich höre nur mit einem viertel Ohr zu.
»Wollen wir heute Abend zusammen in den Pavillon?«, fragt er plötzlich.
»Okay«, stimme ich verwundert zu. Ich hatte vergessen, dass er mich entlarvt hatte. Schaue auf die Uhr. Ich dachte, wir hätten so eine halbe Stunde gequatscht.Aber tatsächlich sind schon drei Stunden vergangen. Es ist ein Uhr.
Wir schleichen uns hinaus, in Großvaters Garten. Gehen hinauf zum Satelliten und setzen uns hinein. Teilen uns eine Bierflasche, während wir den Mond anstarren.
Jerry schafft es fast, den Mund zu halten. Es ist aber auch zu friedlich und schön. Wir lassen das Bier glucksen und rülpsen laut.
Es ist eine schöne Nacht und ich erzähle ihm von den anderen Abenden, an denen ich hier gesessen habe. Auch davon, wie ich es geschafft habe, hier alles zu verdrecken. »Ich hatte … äh … eigentlich vor, aufzuräumen … aber … äh … es passiert die ganze Zeit so viel …«, sage ich. »Dieser Vogel muss mich mehr erschreckt haben … äh … mehr, als ich … äh … gedacht habe.«
»Keine Angst, heute Abend wird er nicht auftauchen«, erklärt Jerry grinsend. »Ich glaube, er macht Ferien.«
»Was?«, erwidere ich und sehe ihn an. »Warst du das? Das ist doch wohl nicht wahr, oder?«
»Doch, doch«, antwortet er. »Es hat mich zu sehr verlockt, ich musste dich einfach ein bisschen erschrecken. Musste sehen, was dann passiert.«
Ich seufze. Und seufze noch einmal schwer. Sehe sein Grinsen und denke, wie gut, dass es nicht mehr so viele Tage sind.
Ich bin von Wahnsinnigen und Idioten umgeben! Ist es da ein Wunder, dass die Welt zum Teufel geht?
Sprachlos stehe ich auf.
Sprachlos gehe ich nach Hause.
Sprachlos lege ich mich schlafen.
Was hat das für einen Sinn? Wenn hier überhaupt die Rede von irgendeinem Sinn sein kann?
Ich schlafe unglaublich gut. Und vielleicht ist das ja der Sinn überhaupt.
ZITAT AUS: »Henry Walden: Der Fisch meines Lebens. Die Jagd auf den Riesenhecht.«
»Wir wissen viel über den Hecht. Und gleichzeitig wenig. Es ist ein gieriger, grausamer Fisch. Aber zugleich ein würdiger Gegner für denjenigen, der seit Jahren angelt.
Als ich beschloss, den legendären Riesenhecht zu fangen, der seit Jahren in den Seen von Tipling herrschte, versuchte ich, meine Chancen zu verbessern, indem ich mich darum bemühte, die Position des Hechts herauszufinden.
Wir wissen, dass der Hecht den Hinterhalt liebt. Er fühlt sich in dichter Grundvegetation oder in einem Schilfgürtel sehr wohl. Dort steht er – gespannt wie eine Metallfeder – und wartet darauf, sich auf seine Beute zu stürzen, sobald sie zwischen dem Schilf zu sehen ist. Wie tief er geht, hängt von der Jahreszeit ab.
Ich wusste, dass mein großer Hecht andere Fische jagte und sich am liebsten dort aufhielt, wo sie sich zum Laichen versammelten. Aber als ich die Jagd auf meinen Traumfisch begann, da war es Oktober. Da war diese Möglichkeit ausgeschlossen. Aber in welchem Gewässer musste ich dann suchen?
Ich konnte natürlich zu den Wasserstellen gehen, an denen alle anderen Hechtfischer stehen und hoffnungsvoll ihre Angel auswerfen. Ein See, in dem der Riesenhecht gesehen worden war und in dem möglicherweise ein Sportangler-Veteran ihn sogar im Jahr zuvor am Haken gehabt hatte. Aber kurz vor der Wasseroberfläche konnte er sich losmachen.
Ich dachte: Und was, wenn der Hecht sich irgendwo versteckt, wo ihn niemand vermutet und niemand nach ihm angelt? Und er deshalb all die Jahre überlebt hat? Also setzte ich mich mit einer Karte hin und traf eine Entscheidung.
Ich entschied mich für den Ekkovannet, den Echosee. Zum einen, weil er abgeschieden in einer Senke im Gebirge liegt, mit steilen Berghängen an fast allen Ufern. – Man muss den ganzen See umrunden, um einen Weg hinunter ans Wasser zu finden. – Zum anderen ist es ziemlich weit bis dahin und die meisten Angler behaupten, dass es dort
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