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Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Titel: Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Fitzpatrick
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Rest, und ich weine nicht mehr darum, als handle es sich dabei um etwas Wichtiges. Sie haben es im Speiseraum (der übrigens grau ist) mit großen Eisenscheren abgeschnitten, die aussahen, als seien sie besser dazu geeignet, schweres Segeltuch zu zerteilen. Ich schaute zu, wie mein geliebtes Haar auf die Steinplatten fiel und dort in schwarzen Kringeln liegen blieb, tot wie meine Seele. Man fegte es zusammen und verbrannte es. Die Wärterin behauptete, es sei eine Vorsichtsmaßnahme gegen Läuse, aber es fühlte sich mehr als Teil meiner Bestrafung an, wie der raue Stoff meines braunen Kittels, wie die Baumwollschürze. Meine Stoppeln können, wenn ich das wünsche, von einer Stoffkappe bedeckt werden wie die eines Dienstmädchens. Mein Nacken ist dauernd kalt. Wer hätte gedacht, dass Haar so viel Wärme spenden kann?
    Bald ist es an der Zeit, auf den Hof zu gehen, wo ich den Blick auf den Himmel gerichtet halte und tiefe, volle Atemzüge mache, um Luft und Licht zu tanken, in der Hoffnung, dass es mich durch die langen dunklen Stunden bringt. Ich denke immer, mehr als einen weiteren Tag kann ich nicht durchstehen. Dann noch einen. Und noch einen. Ich versuche an Farben und Stoffe und Töpfe mit Pigment zu denken, an Gewebe und Muster, aber ich kann keine Palette herbeizaubern, die nicht aus stumpfen Braun- oder Grautönen besteht. Bis jetzt konnte ich nicht schreiben, und ich habe ja auch nur das Papier, das Dillon mir gegeben hat. Es gibt außer dem Himmel wenig Ungefährliches auf dem Hof, das man anschauen kann. Das habe ich erst herausgefunden, nachdem ich einen Blick auf die brutale Nora Beck riskiert hatte. Sie sagte, wenn ich sie noch mal angaffe, verprügelt sie mich so, dass ich es nie vergessen werde. Es hätte mich einschüchtern sollen, hat es aber nicht. Prügel würden mich zumindest etwas fühlen lassen. Nora ist gemein und Agnes, ihre Handlangerin, bösartig. Nora ist riesig und stark und hat eine tyrannische Ader, die die anderen Frauen in Feiglinge verwandelt. Nur eine Gefangene, Margaret, traut sich, ihr zu widersprechen, und sie ist weit davon entfernt, Nora körperlich ebenbürtig zu sein.
    Ich höre Schritte auf der Treppe. Ich habe das Schreibmaterial in meinem Unterkleid versteckt, und so hat es bisher noch niemand gefunden.
    Bis bald.
    Margaret Dickson näherte sich Rhia, ohne dass diese es bemerkte. Sie suchte in den Wolken nach fliegenden Pferden, Drachen und Engeln, wie sie und Thomas es einst getan hatten. Jetzt sah sie nur Schiffe.
    »Du solltest dein Elend besser schnell überwinden, Mahoney.« Margaret hatte die Arme vor der Brust überkreuzt und stellte eine Miene zur Schau, die gleichzeitig streng und belustigt war. Ihr Haarschopf bestand aus kleinen roten Löckchen, also war sie lange genug in Millbank gewesen, dass ihre Haare einige Zentimeter nachwachsen konnten. Ihre Haut war so mit Sommersprossen übersäht, dass man kaum ein Stück ihrer eigentlichen Hautfarbe sehen konnte. Sie war leicht mollig und ihre Augen klein, doch sie sprühten vor Energie. Margaret wies mit dem Kopf in Richtung von Noras Gruppe – ein Dutzend oder so Frauen, die beisammenstanden, tratschten und sich gegen die Kälte die Hände rieben. »Du willst doch nicht, dass die da denken, du würdest deine Zeit an sie verschwenden?«
    »Ich habe keine Uhr«, gab Rhia zurück, und Margaret lachte ein tiefes, volles Lachen aus dem Bauch heraus. »Ich wusste doch, dass sich hinter deinem langen Gesicht noch ein paar Lebensgeister verstecken!« Sie zuckte mit den Schultern. »Nicht, dass es mich stören würde, aber es kommt mir nicht so vor, als würdest du dich für so arg vornehm halten. Die meisten Handelsfrauen tun das nicht.« Sie zeigte auf die anderen Sträflinge und senkte die Stimme. »Aber die da merken den Unterschied nicht.«
    »Ist es das, was sie denken – dass ich mich für vornehm halte?«
    »Was denn sonst?«
    »Und woher wissen Sie, dass ich aus dem Handelsgeschäft komme?«
    »Im Gefängnis spricht sich so was schnell rum, Mahoney. Wirst schon sehen. Außerdem sind mir schon viele Sorten von Ladys untergekommen, und ich kann sehen wer wer und was was ist.« Margarets Miene wurde ernst. »Um ehrlich zu sein, habe ich mit Mrs Blake gesprochen, und sie hat mich gebeten, auf dich aufzupassen. Ihr ist es nämlich zu verdanken, dass du in dieser Abteilung bist. Sie kennt die richtigen Leute. Alle in unserer Abteilung kommen auf denselben Transport. So funktioniert das hier.«
    »Mrs Blake war hier?

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