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Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Titel: Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Fitzpatrick
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war auf das gerichtet, was sie auf sein kostbares Papier gezeichnet hatte. Im Innern des Blattes, das von einem Netz aus Adern hätte erfüllt sein sollen, prangte ein dreiteiliger Knoten. Rhia war genauso überrascht wie Mr Reeve, aber ihr gefiel, wie er das Blatt ausfüllte.
    Vergiss mich nicht, ich bin Cerridwen, Hüterin des Kessels der Inspiration.
    Wie sollte sie die Muse vergessen, die sie so grausam verlassen hatte und sie nun dauernd an all das erinnerte, was sie verloren hatte?

47
    F ÄDEN
    An jedem Kai des Circular Quay war ein fremdes Schiff festgemacht. An der befestigten Promenade nahe am Sand wimmelte es wie immer von Fischhändlern und Ausländern. Natürlich waren alle in Sydney Ausländer, doch aufgrund der absurden Auffassung britischer Überlegenheit herrschte eine gewisse gesellschaftliche Rangordnung. Der Quay faszinierte Michael mehr als alle anderen Teile der Stadt. Der Streifen Sand erinnerte ihn an seine Jugend auf See, und nun enthielt er noch dazu das Versprechen der Heimat. Hier waren seine Vergangenheit und seine Zukunft. Außerdem lag dort das Büro des Postamts. Ein zweiteiliger Brief von Thomas war gekommen. Die Seite oben trug ein späteres Datum als die zweite. Der Text war nur kurz und – gemessen am Gekrakel – in Eile geschrieben.
    18. März
    Wir haben gerade erfahren, dass Rhia Mahoney im Gefängnis sitzt. Man behauptet, sie sei eine Diebin, aber niemand hier glaubt das, und ich weiß, dass auch Du es nicht glauben wirst. Sie soll nach New South Wales gebracht werden. Diese Zeilen erreichen Dich vielleicht nicht mehr rechtzeitig – vielleicht bist Du schon auf dem Heimweg.
    Michael las ungläubig dieses PS. Er täuschte sich nicht, und doch schien es unmöglich. Rhia Mahoney eine Diebin? Sie war immer ein wildes Ding gewesen, und er hatte sie seit mehr als sieben Jahren nicht mehr gesehen, aber trotzdem. Er drehte sich gedankenverloren eine Zigarette, ehe er den eigentlichen Brief las. Es ging vor allem um Wolle. Thomas schrieb, er hätte Brigit Mahoney gefragt und, ja, sie sei interessiert an Merinowolle aus Sydney. Die anderen Neuigkeiten waren jedoch eher ernüchternd:
    Sean O’Leary fiel letzten Sonntag durch den Schuss aus der Waffe eines Gutsherrn, wodurch seine Mary nun eine Witwe mit zwei kleinen Jungs ist.
    Mam sendet alles Liebe und wünscht sich jeden Tag, sie hätte Lesen und Schreiben gelernt.
    Freiheit,
    Thomas
    Michael faltete langsam und sorgfältig das dicke, raue Papier zusammen, warf seinen Zigarettenstummel in den Sand und trat ihn mit dem Absatz aus. Calvin würde wissen, welche Transporte bald erwartet wurden.
    Im Büro der Hafenbehörde stapelten sich überall Bücher mit schwarzen Rücken und Papierrollen. Michael wunderte sich immer wieder, wie ein Verstand, der so scharf war wie Calvins, in diesem Chaos funktionieren konnte. Ein junger Sergeant saß mit dem Rücken zur Tür an einem Tisch und schrieb wie ein Wilder. Calvin studierte an seinem Schreibtisch mit gerunzelter Stirn einen Stapel Papiere. Er blickte auf.
    »Hallo, Michael.« Sein Tonfall signalisierte, dass er wenig Zeit zum Reden haben würde.
    »Cal.« Michael nickte zur Begrüßung. »Darf ich euren Hof zum Rauchen nutzen?« Michael warf ihm einen Blick zu, und Calvin nickte.
    »Gib mir ’ne Minute.«
    Michael verließ den Bungalow über die Veranda auf der Rückseite. Dahinter befanden sich ein Baumstamm und ein Streifen Sand. Ringsherum raschelten die spitzen Wedel der Grasbäume voller Leben: Vögel, mächtig genug, um den Busch in Bewegung zu bringen, und Reptilien groß wie Hunde.
    Er setzte sich auf den Stamm und rollte zwei Zigaretten. Das half ihm beim Nachdenken. Thomas hatte doch in seinem letzten Brief geschrieben, Rhia wohne bei einer verwitweten Quäkerin in London zur Untermiete, die im Stoffgeschäft tätig war. Eine Quäker-Witwe . Er schüttelte den Kopf. Nein, das war nicht möglich.
    Calvin tauchte auf, und Michael reichte ihm eine Zigarette. Der Polizist nahm einen tiefen Zug und schloss eine Minute lang die Augen, ehe er Michael einen Seitenblick zuwarf. »Was ist los?«
    »Ich habe einen Tipp bekommen, dass im verdammten Government House ein Raub verübt wurde. Weißt du da irgendwas drüber?«
    »Nein. Wann?«
    »Schon ’ne Weile her.« Michael runzelte die Stirn. »Also haben sie wohl die Polizei rausgehalten. Das macht es noch interessanter.«
    Calvin zuckte mit den Schultern. »Die sind da eigen. Vermutlich hat irgendein Gouverneur ein persönliches

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