Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)
habe traurige Neuigkeiten …«, setzte sie an, woraufhin er sie abrupt ansah. Er spürte es. Dann wandte er sich wieder zum Fenster um und trommelte mit den Fingern auf den Sims. Antonia spürte, wie ihre Hand zitterte, als sie erneut ihr Haar glattstrich. »Laurence wurde … ist … man hat ihn …« Sie setzte sich unbeholfen hin. »Er ist tot. Ermordet …«
Juliette stand in der Tür. Sie musste den letzten Satz mitgehört haben, denn sie stand gegen den Rahmen gelehnt da, so weiß wie Kalk. Mr Dillon reagierte so lange nicht, dass Antonia sich bereits fragte, ob er sie überhaupt gehört hatte. Als er schließlich sprach, wandte er sich nicht um. »Wie können Sie das wissen?« Seine Stimme hatte einen vorwurfsvollen Unterton.
»Ich habe einen Brief bekommen. Von Rhia. Aus San Sebastiano.«
Mr Dillon drehte sich um. Sein Gesicht schien einen Moment lang wie verwandelt. Die sorgfältigen Züge des kontrollierten Geistes waren verschwunden, es lag völlig bloß. Er war am Boden zerstört.
»Möchten Sie sich nicht setzen, Mr Dillon?« Antonias Stimme schien im Raum widerzuhallen, als befänden sie sich in einem Mausoleum. Er ließ sich ihr gegenüber nieder.
»Vielleicht holst du uns jetzt den Tee, Juliette?« Das Dienstmädchen schien nichts gehört zu haben. »Juliette!«
Juliette schlich davon wie in Trance.
Mr Dillon beugte sich zu Antonia herüber, und sein Blick war messerscharf. »Erzählen Sie mir, was Sie wissen.«
»So gut wie nichts. Am Tag, an dem er starb, hat er eine fotogene Zeichnung übertragen. Es handelte sich dabei um ein Porträt, das ich vergangenen Sommer in meinem Garten belichtet habe. Das Negativ war verschwunden. Ich kann einfach nicht begreifen …« Sie schüttelte den Kopf. »Ist es möglich, dass derjenige, der ihn umgebracht hat, mir das Negativ gestohlen hat und nun das Porträt besitzt?«
»Wen zeigt dieses Porträt?«
»Josiah, Ryan, Mr Beckwith, Mr Montgomery und Isaac.«
Dillon schüttelte den Kopf. Er wirkte fassungslos.
»Was bedeutet das?«, flüsterte sie. Die Stimme war ihr abhandengekommen.
»Wer hat das Negativ jetzt?«, wollte er wissen.
Antonia schüttelte den Kopf. »Das hat Rhia nicht erwähnt. Sie hat den Brief in Eile geschrieben.«
Juliette kam mit einem Tablett herein. Die Tassen klapperten gefährlich auf den Untertellern. Antonia ging davon aus, dass ihr Dienstmädchen gleich einen ihrer Anfälle bekommen würde, doch dafür hatte sie jetzt keine Geduld. Wenn sie sich jedoch nicht in Liebe und Geduld übte, war ihr Glaube von keinerlei Nutzen. Er schien ihr in letzter Zeit überhaupt wenig zu nutzen.
49
R ABENSCHWARZ
Juliette stellte das Tablett mit den Teetassen auf den Tisch, wobei ihre Hände so sehr zitterten, dass es ein Wunder war, dass nichts dabei zu Bruch ging. Sie nahm an, dass Mrs Blake immer noch nichts wusste, denn sie schenkte ihr keine Aufmerksamkeit. Es musste das Tun der irischen Hexe gewesen sein, dass dieses Negativ in ein Porträt verwandelt worden war. Das hätte nicht passieren sollen, nicht bevor es Sydney erreichte. Es war wieder mal ihr Pech, und nun würde ihre Mutter es nie sehen, und sie würde nie wissen, ob er es war. Aber wie konnte Mr Blake ermordet worden sein? Vermutlich war es ihre Schuld, da irgendeine Art Fluch auf ihr lag, der die Leute sterben ließ.
»Juliette!«
Nun war es nur noch eine Frage der Zeit, bis Mrs Blake herausfand, was sie getan hatte. Vielleicht wusste Mr Dillon es bereits – er schien zu der Sorte Mensch zu gehören, die alles wussten. Und wer hatte je von einem Zeitungsmann gehört, der ein Geheimnis für sich behalten konnte?
»Juliette …«
»Ja, Mrs Blake?«
»Stimmt etwas nicht?«
Sie nickte. Sollte er es ruhig auch hören, dann konnte er selbst entscheiden, ob sie schlecht war. Ihr war ein wenig schwindelig zumute. Sollten sie sie doch verurteilen. Sie hatte genug von Geheimnissen.
»Juliette?«, hakte Mrs Blake nach. »Hat es mit Rhia zu tun?«
»Nein. Ja. Ach, ich weiß es nicht!« Schwarzer Stoff bauschte sich um sie, und ihre Knie schlugen krachend auf dem Fußboden auf. Der Herr war neben ihr, als sei er herbeigeflogen, und stützte ihren Ellbogen mit einer Hand. Die Sanftheit seiner Berührung überraschte sie. Vielleicht war auch er ein Hexer. Zumindest war er Waliser. Ihre Blicke begegneten sich, und sie hatte das Gefühl, dass er Bescheid wusste.
Man drängte sie auf das Chesterfield-Sofa, doch sie lehnte eine Tasse Tee ab. Sie konnte ihnen nicht alles sagen,
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