Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)
ruhig.
Rhia kehrte leicht genervt ins Lager zurück, wo Isaac gerade ihre Arbeit inspizierte. »Meine verstorbene Frau war Malerin«, sagte er. »Sie liebte es, Tinkturen anzurühren. Ich erinnere mich noch genau daran, dass sie immer gesagt hat, Grün hätte die Maler mehr inspiriert als jede andere Farbe.« Einen Moment lang blickte er wehmütig drein. »Sich ausgerechnet an so etwas zu erinnern.« Es war, als hätte er mit sich selbst gesprochen.
»Es findet sich in jeder Facette der Natur …«, erwiderte Rhia, doch Isaac schien in Gedanken versunken, und sie war sich gar nicht sicher, ob er sie überhaupt gehört hatte. Sie konnte Isaac Fisher immer noch nicht richtig einordnen. Er war sympathisch, aber zurückhaltend. Antonia hatte ihn als liberalen Quäker bezeichnet, wobei Rhia sich nicht ganz sicher war, was das genau bedeutete. Vermutlich mochte er keine Regeln.
»Es war angeblich das begehrteste Rezept«, fügte sie hinzu, da ihr wieder einfiel, was ihr der Färber erzählt hatte. »Der grüne Farbstoff, der aus Metall gewonnen wurde, zerfraß das Pergament und andere zerfielen im Licht. Um Grün zu erhalten, mussten die Färber ihre Stoffe früher zuerst in ein Fass mit einer Tinktur aus gelben Pflanzen tauchen – Färberwau oder Kreuzdorn – und dann in eins mit Blaufärbstoff …« Warum schaute Isaac weg, wenn sie ihn ansah? Einen Moment lang misstraute sie ihm.
»Wissen Sie, wo Ihr Grün jetzt herkommt?«, fragte er sie.
»Um ehrlich zu sein, nein.«
»Ich vermute, es stammt aus China.«
»Ist es deshalb so teuer?«
»Es ist teuer, weil es aus der Rinde eines orientalischen Baumes gewonnen wird.« Er seufzte schwer. »Wir vergiften die Köpfe der erfindungsreichsten Rasse auf der ganzen Welt.« Er schüttelte den Kopf, als sei er persönlich dafür verantwortlich. »Mich freut es zu sehen, dass Jonathan Montgomery gute Gründe hatte, Sie einzustellen.«
Rhia spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. »Hatten Sie angenommen, es handle sich dabei lediglich um eine mildtätige Geste?«
Der Quäker ignorierte ihre Bemerkung. Er sah nun eher finster drein. »Selbst wenn Ihnen Gerüchte über Josiahs Tod zu Ohren gekommen sein sollten, wäre es töricht und gefährlich, über diese zu sprechen. Bitte tun Sie es nicht.«
Er griff nach seiner Tasche, die jetzt voll mit Stoffresten war, und tippte sich an den Hut. »Auf Wiedersehen, Miss Mahoney.« Ehe sie noch etwas erwidern konnte, war er schon verschwunden. Was meinte er mit gefährlich ? Gefährlich für ihren Ruf? Dafür war es nun zu spät und, außerdem, sollten Quäker nicht eigentlich die freie Meinungsäußerung verteidigen? Isaac musste irgendetwas wissen. Schließlich war er an jenem Tag an Bord der Mathilda gewesen, als Josiah Blake starb. Der Gedanke ließ sie fast erschaudern. Konnte es sein, dass er etwas über Josiahs Tod wusste?
Der Vormittag verging langsam. Rhia fühlte sich nach Isaacs Besuch ruhelos und aufgewühlt. Als Grace in die Mittagspause gegangen war, staubte sie doch noch die oberen Regale ab. Dann stellte sie sich hinter den polierten Walnusstresen und suchte im Gang der Damen draußen nach einer besonderen Leichtigkeit, einer Hingabe, mit der sie an einem kalten Februarmorgen das Haushaltsgeld für etwas ausgaben, was die Einsamkeit oder die Langeweile linderte. Zwei Frauen betraten den Laden. Die eine trug einen karierten Schottenstoff, die andere etwas Gestreiftes. Ihre Mäntel waren mit Bisampelz eingefasst, und ihre Blicke wanderten unruhig durch den Raum. Sie stanken nach Kölnisch Wasser, als hätten sie soeben alle Fläschchen einer Parfümerie entkorkt.
Sie ließen Rhia eine Rolle nach der anderen von den neuen Seidenbrokatstoffen herunterholen, die so glatt waren, dass sie wie Wasser über den Tresen flossen. Rhias Schere blitzte und schnappte, bis die beiden zusammen fast neunzig Meter geordert hatten. Es war genug, um vier Krinolinen zu bedecken, und zu einem Preis, bei dem keine von beiden auch nur mit der Wimper zuckte.
Während Rhia den Stoff in braunes Papier wickelte und mit einem Band verschnürte, unterhielten sich die beiden Damen über eine Einladung, den März in einer italienischen Villa zu verbringen. Als sie schließlich gegangen waren, fühlte Rhia sich völlig leer. Neid? Wollte sie einen Gatten mit einem Vermögen auf der Bank, das ihre Möglichkeiten, es auszugeben, bei weitem überstieg? Sie hatte das einst vielleicht für absolut vernünftig gehalten, doch nun hatte sie
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