Am Rande Der Schatten
benutzte schließlich die Bretter, um wenigstens in die Hocke zu kommen. Dann stand er auf und versuchte, einen Schritt nach vorn zu machen. Die Kufen, die geglättet und poliert worden waren, taten genau das, was sie tun sollten: Sie rutschten hin und her, und Feir bewegte sich kaum.
Feir blickte über die Schulter. Die Sa’ceurai waren jetzt nur noch knapp hundert Schritt hinter ihm. Wenn es zu einem Kampf kam, würden die Kufen sein Untergang sein. Er stolperte, verkantete die Kufen erneut und warf sein Bein zur Seite, um das Gleichgewicht zu wahren. Er taumelte - und rutschte vorwärts.
Die Freude war so groß wie die, die er empfunden hatte, als er zu einem Schöpfer der Bruderschaft ernannt worden war. Er drehte beide Kufen nach außen und stieß sich vorwärts.
Es funktionierte, bis er zum Rand kam und anfing, sich schneller hügelabwärts zu bewegen, als er treten konnte. Jede Kufe ging in die Richtung, in der er sie gelenkt hatte: nach außen. Seine Beine streckten sich, bis sie sich nicht weiter strecken konnten und er nach vorn aufs Gesicht fiel.
Der Berg war steil und der Schnee barmherzig tief. Die Luft wurde knapp, als Feir sich wieder und wieder überschlug. Vage nahm er wahr, dass er die Kufen hügelabwärts ausrichten musste. Nach sechs oder sieben Umdrehungen gelang es ihm.
Plötzlich brach Feir aus dem allgegenwärtigen Schnee. Der Schnee war mindestens einen Meter tief, aber er befand sich darüber. Sein Herz war ein Donnern in seiner Brust. Er bewegte sich mit unglaublicher Geschwindigkeit geradeaus den Berg hinunter. Binnen weniger Augenblicke würde er sich schneller fortbewegen als das schnellste Pferd und dann noch schneller und noch schneller. Es war fast unmöglich, die beiden Kufen unabhängig voneinander zu kontrollieren, daher band er sie mit Magie schnell zusammen, sowohl vorn als auch hinten, wobei er jeder ein wenig Spiel ließ.
Er landete noch mehrmals im Schnee, der manchmal nicht so nachgiebig war. Schließlich lernte Feir zu lenken. Er lenkte um einen felsigen Tod herum und blickte zum ersten Mal hügelabwärts, wobei er die Augen gegen das grelle Weiß zusammenkneifen musste. Er blinzelte. Was ist diese Linie im Schnee?
Er schoss über den Felsvorsprung. Zwei Sekunden lang war keine der Kufen auf dem Schnee. Die Welt war still, bis auf das Tosen des Windes in seinen Ohren.
Dann landete er. Er krachte durch eine Welt aus weißem Pulver, überschlug sich, und seine Arme und Beine wurden in alle Richtungen gerissen. Dann geschah das Wunder abermals,
und er sprang aus dem Schnee, um erneut hügelabwärts zu fliegen. Sein Herz hämmerte. Er lachte.
Er hatte Curoch. Die Ceuraner würden ihm nicht den Berg hinunter folgen. Wenn sie das täten, würden sie in Cenaria landen. Er war entkommen!
»Unglaublich«, sagte Lantano Garuwashi. Er war groß für einen Ceuraner. Sein rotes Haar hing ihm dicht und lang vom Kopf, und es war mit Dutzenden schmaler, andersfarbiger Strähnen durchzogen. In Ceura hieß es, man könne das Leben eines Mannes an seinen Haaren ablesen. Bei der Claninitiation eines Jungen wurde ihm der Kopf bis auf eine Stirnlocke kahl geschoren. Wenn die Stirnlocke auf die Länge von drei Fingern gewachsen war, wurde sie mit einem winzigen Ring zusammengebunden, und der Junge wurde zum Mann erklärt. Wenn er seinen ersten Krieger tötete, wurde die Stirnlocke an der Kopfhaut abermals gebunden, und er wurde zum Sa’ceurai. Je kürzer die Spanne zwischen den zwei Ringen an ihren Stirnlocken, umso besser. Danach band der Sa’ceurai jedes Mal, wenn er einen Feind tötete, die Stirnlocke des erschlagenen Mannes an sein eigenes Haar.
Zuerst hatten einige Krieger gedacht, Lantano trage nur einen einzigen Ring, weil seine beiden ersten sich direkt übereinander befanden. Er hatte seinen ersten Gegner mit dreizehn getötet. In den siebzehn Jahren, die seither vergangen waren, hatte er neunundfünfzig Locken seinem eigenen Haar hinzugefügt. Wäre er von ein wenig höherer Geburt gewesen, wäre ganz Ceura ihm gefolgt. Aber die Seele eines Sa’ceurai war sein Schwert, und nichts konnte die Tatsache ändern, dass Lantano mit einem eisernen Schwert geboren worden war, einem Bauernschwert. Lantano war ein Kriegsfürst, weil
die ceuranische Tradition es jedem herausragenden Mann erlaubte, Armeen zu führen, aber für Lantano war es zu einer Falle geworden. Sobald er auf hörte zu kämpfen, endete seine Macht. Er hatte begonnen für Ceuras Regenten zu kämpfen, Hideo
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