Am Rande Der Schatten
für ungeheuer klug. Wenn der Herzog kein drittes Lager geschaffen hätte, hätte Logan zumindest eine Mehrheit gehabt.
»Was redet Ihr da?«, fragte Terah.
Logan wusste es bereits. Momma K konnte es an seiner steinernen Miene sehen.
»Werdet Ihr heute Nacht, am Vorabend einer Schlacht, die über die Zukunft unseres Landes entscheiden wird, unsere Streitkräfte spalten, oder werdet Ihr sie einen? Logan, Terah, seid Ihr bereit, heute Abend zu heiraten?«
Terah sah sich schnell im Raum um, um abzuschätzen, wer auf ihrer Seite stand. Ihre Anhänger liefen ihr davon. Sie schaute zu jenen hinüber, die trotzig neben Logan standen, jenen, die teilnahmslos bei Herzog Wesseros verharrten. Dann sah sie Logan an. Es war nicht der Blick, mit dem eine Frau einen Verehrer betrachtet. Es war die Suche nach Schwäche.
»Für das Land, das ich liebe, ja«, sagte Terah Graesin.
»Logan?«
»Ja«, sagte Logan ausdruckslos. Mochten die Götter ihm helfen.
60
Sie hatten ein Podest errichtet, sodass die ganze Armee die Hochzeit mitverfolgen konnte. Viele Männer hatten sich bereits von ihren Feuern erhoben, und ihre Offiziere begannen bei Aufgang des Mondes, sie für die Zeremonie Aufstellung nehmen zu lassen. Außer der Armee selbst hatten sich mehrere tausend gemeine Leute und der Tross versammelt.
»Logan«, sagte Graf Drake und schloss die Lasche des kleinen Zeltes, in dem Logan sich bereit machte, »Ihr könnt das nicht tun.«
Lange Sekunden blieb Logan eine Antwort schuldig. Als sie dann kam, war seine Stimme leise und ernst: »Was könnte ich sonst tun?«
»Der eine Gott sagt, er werde eine Flucht aus jeder Versuchung ermöglichen.«
»Ich glaube nicht an einen Gott, Drake.«
»Die Wahrheit hängt nicht von Eurem Glauben daran ab.«
Logan schüttelte langsam den Kopf, wie ein Bär, der nach Monaten des Winterschlafs ausgemergelt hervorkommt. »Die Heirat mit Terah ist keine Versuchung. Mein Vater hat eine schöne, gehässige Frau geheiratet, und ich habe gesehen, was das mit ihm gemacht hat.«
»Eine Lektion, aus der zu lernen Ihr gut beraten wärt. Der Unterschied ist, dass Eure Mutter nicht einmal annähernd so großer Zerstörungen fähig war wie Terah.«
Logans Augen blitzten; der Bär hob langsam den Kopf, um alle anderen zu überragen. »Wenn es einen Ausweg aus dieser Angelegenheit gibt, der uns nicht vernichtet, sagt mir, wie er aussieht! Ich will nicht heiraten …«
»Ich habe nicht gesagt, die Ehe sei die Versuchung.«
»Was ist es dann?«
»Macht«, antwortete Graf Drake und stieß mit seinem Rohrstock auf den Boden.
»Verdammt, Mann! Ich stehe vor der Wahl, entweder Terah zu heiraten oder uns alle dem Untergang zu weihen. Ihr denkt, ich hätte keine Möglichkeit gefunden, die Mehrheit dieser Leute dazu zu bringen, mir zu folgen? Ich habe durchaus eine gefunden! Ich könnte vielleicht zwei Drittel von ihnen nehmen und fortgehen. Damit würde ich ein Drittel zum Tode verurteilen. Ihr wollt, dass ich Tausende bitte zu sterben, damit ich eine schlechte Ehe vermeiden kann?«
»Nein, Logan.« Graf Drake stützte sich auf seinen Rohrstock. Er sah aus, als brauche er diesen Halt. »Meine Frage ist, könnt Ihr der König sein, der Ihr sein müsst, wenn Ihr eine solche Königin an Eurer Seite habt? Terah Graesin ist heute vom Gang der Ereignisse überrumpelt worden. Ihr habt sie in einem Augenblick der Schwäche erwischt. Das wird nicht noch einmal geschehen.«
»Nun, danke, dass Ihr mir die Trostlosigkeit meiner Zukunft vor Augen führt«, bemerkte Logan. »Aber wenn Ihr mir nicht helfen könnt, dieser Ehe zu entrinnen, helft mir, mich anzukleiden.«
»Mein König«, sagte Graf Drake, »manchmal ist der Ausweg aus einem Loch nicht das Klettern.«
»Geht«, befahl Logan.
Graf Drake verneigte sich und verließ traurig das Zelt.
Logan griff nach dem Diadem und setzte es sich auf den Kopf. Momma K hatte dafür gesorgt, dass er wie ein König aussah. Er war rasiert worden, man hatte ihm das Haar geschnitten und seinen Körper mit Ölen gesalbt und mit Fellen geschmückt. Er trug eine feine, dunkelgraue Robe und einen weißen, mit Gold durchwirkten seidenen Umhang. Unmittelbar vor dem Umsturz hatte er das Alter der Mannbarkeit erreicht, aber er hatte vergessen, sein eigenes Siegel zu wählen. Jetzt sah er, dass Momma K für ihn gewählt hatte. Das Siegel zeigte den weißen Gyre-Falken auf einem Feldzobel, aber sein Falke trug an den Füßen aufgebrochene Ketten, und das Zobelfeld war ein schwarzer
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