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Am Rande Der Schatten

Titel: Am Rande Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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ganze andere war es, sich wie ein hilfloser Esel zu fühlen.
    »Wie lange war ich … bewusstlos?«
    »Einen Tag und eine Nacht.«
    Er fluchte leise. Es war das zweite Mal, dass Uly ihn ermordet und mit verstümmeltem Leib gesehen hatte. Falls sie wirklich so felsenfest überzeugt war, dass Kylar zurückkommen würde, konnte er nur froh darüber sein. Er hatte ihr versprochen, dass er es tun würde, aber er hatte es selbst nicht gewusst. Er hatte nur gewusst, dass er einmal zurückgekommen war. Der Wolf, der seltsame, gelbäugige Mann, dem er an dem Ort zwischen Leben und Tod begegnet war, hatte keine Garantien gegeben. In der Tat, diesmal war Kylar ihm überhaupt nicht begegnet. Kylar hatte darauf gehofft, ihm einige Fragen stellen zu können, wie zum Beispiel, wie viele Leben er hatte. Was, wenn es nur zwei gewesen waren?
    »Und Elene?«, fragte er.
    »Sie ist gegangen, um den Wagen zu holen. Die Wachen, die Jarl bestochen hat, sind nur noch eine Stunde lang im Dienst.«
    Elene war allein fortgegangen, um den Wagen zu holen? Kylar war so müde. Er konnte erkennen, dass Uly wieder den
Tränen nah war. Was für ein Mann ließ ein kleines Mädchen so etwas durchmachen? Als Ersatzvater taugte er nicht viel, aber er hatte immer gedacht, dass er besser sei als gar nichts.
    »Du solltest schlafen«, sagte sie und tat ihr Bestes, wieder schroff zu klingen.
    »Sorge dafür …« Er hatte solche Schmerzen, dass er den Gedanken nicht vollenden konnte, geschweige denn den Satz.
    »Ich werde mich um dich kümmern, keine Bange«, sagte Uly.
    »Uly?«
    »Ja?«
    »Du hast gute Arbeit geleistet. Großartige Arbeit. Ich stehe in deiner Schuld. Danke. Es tut mir leid.« Kylar konnte beinahe spüren, wie die Luft um das Mädchen herum ganz warm und klebrig wurde. Er stöhnte. Er wollte etwas Witziges und Scharfsinniges sagen, wie Durzo es getan hätte, aber bevor er die richtigen Worte finden konnte, schlief er auch schon.

7
    Als Kaldrosa Wyn sich gegen Mittag in die Schlange an der Taverne zum Leichten Rock stellte, standen bereits zweihundert Frauen vor dem Bordell. Als die Schlange sich zwei Stunden später in Bewegung setzte, war die Zahl auf das Dreifache angestiegen. Die Frauen waren so unterschiedlich, wie man sie im Labyrinth nur finden konnte, angefangen von Gilderatten, die gerade einmal zehn Jahre alt waren - und die wussten, dass Momma K sie nicht einstellen würde, die aber verzweifelt
genug waren, um trotzdem zu kommen -, bis hin zu Frauen, die noch vor einem Monat auf der reichen Ostseite gelebt, aber ihre Häuser bei den Bränden verloren hatten und anschließend ins Labyrinth getrieben worden waren. Einige aus letzterer Gruppe weinten. Andere hatten einen vollkommen leeren Gesichtsausdruck und umklammerten Schals, die sie sich um die Schultern gelegt hatten. Und einige waren »Karnickel«, alteingesessene Bewohnerinnen des Labyrinths oder »Karnickelbaus«, die mit ihren Freunden lachten und scherzten.
    Eine Anstellung bei Momma K war das Sicherste, was eine Hure bekommen konnte. Sie erzählten sich Geschichten darüber, wie die Herrin der Wonnen mit ihrer neuen khalidorischen Kundschaft verfuhr. Sie behaupteten, dass die Perversen, wenn sie einer Hure wehtaten, genug Silbermünzen zahlen müssten, um die blauen Flecken zu verdecken. Eine andere Frau behauptete, es müssten genug Kronen sein, um sie zu verdecken, aber niemand glaubte ihr.
    Als Herzogin Terah Graesin - ihr Vater, der alte Herzog, war während des Staatsstreichs getötet worden - die Widerständler aus der Stadt geführt hatte, hatten ihre Anhänger all ihre Läden und Wohnhäuser in Brand gesteckt. Das Feuer hatte natürlich nicht innegehalten, nachdem es die Anwesen jener dem Erdboden gleichgemacht hatte, die fortgegangen waren. Tausende, die geblieben waren, waren obdachlos geworden. Im Labyrinth war es noch schlimmer, wo die Armen zusammengepfercht wie Vieh lebten. Hunderte und Aberhunderte waren ums Leben gekommen. Die Feuer hatten tagelang gebrannt.
    Die Khalidori wollten, dass die Ostseite so schnell wie möglich wieder normal funktionierte. Die Obdachlosen wurden
als Hindernis angesehen, daher zwangen die Soldaten sie ins Labyrinth. Die Edelleute und Handwerker, die ihren Besitz verloren hatten, waren verzweifelt, aber Verzweiflung änderte nichts. Ins Labyrinth getrieben zu werden, war ein Todesurteil.
    Während des vergangenen Monats hatte der Gottkönig seinen Soldaten gestattet, im Labyrinth zu tun, was immer sie wünschten. Die Männer

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