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Am Rande Der Schatten

Titel: Am Rande Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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einfach so.
    »Weshalb hast du das getan?«, fragte Sniffles. »Wir hätten dieses Fleisch gebrauchen können. Du Bastard, du hast Fleisch weggeworfen.«
    Einen Moment lang war ihr Zorn auf dem Höhepunkt, und Logan dachte, sie würden erneut angreifen. Er griff sich an die Hüfte, um das Messer herauszuziehen. Es war fort.
    Von der anderen Seite des Lochs sah Fin ihn an. Er stocherte mit der Spitze des Messers in seinem blutigen, von Skorbut befallenen Zahnfleisch herum. Jetzt war die Zeit auf seiner Seite.
    Logan hatte gedacht, die Locher hätten keine Gesellschaft, aber er hatte sich geirrt. Die Locher waren geteilt in die Tiere und die Ungeheuer, die Schwachen und die Starken. Fin führte die Tiere an, deren Rang zum größten Teil nach ihren Verbrechen bemessen wurde: erst Mörder, dann Vergewaltiger, dann Sklavenhändler, dann Kinderschänder. Die Ungeheuer waren Yimbo, ein großknochiger, rothaariger Ceuraner, dem man die Zunge herausgeschnitten hatte; Tatts, ein
bleicher Lodricari, der mit Tätowierungen bedeckt war und der sprechen konnte, es aber niemals tat; und Knirscher, ein missgestalter Narr mit gewaltigen Schultern, einem verbogenen Rückgrat und zu scharfen Spitzen gefeilten Zähnen. Die Ungeheuer überlebten nur durch die Angst der anderen vor ihnen und ihre Bereitschaft zu kämpfen.
    Jetzt, da sie alle hungerten, brach die wackelige Gesellschaft zusammen. Logan hatte keine Freunde, kein Messer, keinen Platz. Unter den Tieren war er jetzt ein Wolf ohne Rudel. Unter den Ungeheuern war er ein Hund ohne seinen stählernen Zahn.
    Er hatte versucht, die Insassen als Menschen zu betrachten. Menschen, die entwürdigt und gedemütigt und verunglimpft und böse waren, aber dennoch Menschen. Er versuchte, in ihnen etwas Gutes zu sehen, einen Abglanz von dem Gott oder den Göttern, die sie geschaffen hatten. Aber in der Dunkelheit des Lochs sah er nur Tiere und Ungeheuer.
    Logan ging zu Knirscher hinüber und setzte sich neben ihn. Der Mann schenkte ihm ein Narrenlächeln, das durch seine abgefeilten Zähne grauenvoll wirkte.
    Dann war ein Geräusch zu hören, das alle erstarren ließ. Schritte hallten durch den Flur über dem Arschloch. Logan schlüpfte in den einzigen schmalen Überhang, der ihn vor Blicken schützen würde, während ein von einer Fackel erhelltes Gesicht über ihnen erschien. »Hallo, meine Täubchen«, sagte der Wachposten. Er war schwarzhaarig, blass und massig, mit einer eingeschlagenen Nase und offenkundig khalidorischer Herkunft.
    Der Wachposten öffnete das Gitter, behielt aber die Insassen fünf Meter unter ihm genau im Auge. Fin entwirrte nicht einmal seine Seile.

    »Ich hätte gedacht, dass ein paar von euch inzwischen gestorben wären«, sagte der Wachposten. »Ihr müsst doch richtig Hunger haben.« Er griff in einen Sack und holte einen großen Laib Brot heraus. Sämtliche Insassen sahen ihn mit solcher Sehnsucht an, dass er lachte. »Also gut, für euch.« Der Wachmann warf den Brotlaib, aber er segelte ins Loch.
    Die Gefangenen schrien auf, weil sie dachten, es sei ein Versehen gewesen. Der Wachposten holte einen weiteren Laib hervor und warf ihn ebenfalls ins Loch. Die Gefangenen scharten sich um das Loch, selbst Fin und Lilly. Der nächste Laib prallte von Sniffles Fingerspitzen ab, und er fiel beinahe hinter dem Brot her in das Loch.
    Der Wachposten lachte. Er versperrte das Gitter und ging, eine fröhliche Melodie pfeifend, davon. Mehrere der Insassen weinten.
    Er kam nicht zurück. Die Tage vergingen in purer Qual. Logan hatte noch nie eine so entkräftende Schwäche erlebt.
    Vier Nächte später - auch wenn der Ausdruck bedeutungslos war, hielt Logan es für Nacht, weil die meisten Bewohner des Lochs schliefen und die heulenden Winde am lautesten zu der Zeit schrien, die die Locher Mittag nannten - schlitzte Fin einem der Kinderschänder die Kehle auf. Binnen weniger Augenblicke waren alle wach und kämpften um den Leichnam. Als Sniffles anfing, auf Knirscher einzuprügeln, um den Mann dazu zu bringen, einen blutigen Brocken loszulassen, den Logan lieber nicht identifizieren wollte, warf Knirscher den Brocken beiseite und griff Sniffles an. Sniffles versuchte, ihn abzuwehren, aber er konnte Knirscher nicht mehr entgegensetzen als ein Kind. Knirscher riss Sniffles’ Arme zur Seite und bohrte seine abgefeilten Zähne in den Hals des Mannes.

    Während des folgenden Kampfes um die Leiche wurde ein ganzes Bein sauber abgerissen und landete neben Logan. Als Scab darauf

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