Am Rande Der Schatten
bis er ihre Hilfe nicht mehr brauchte.
»Warum seid Ihr hier, Lord Agon?«, fragte Jarl. »Warum ich? Terah Graesin hat eine Armee. Wenn es nach Euch ginge, wären die Sa’kagé schon vor Jahren ausgelöscht worden.«
Momma K sagte: »Wir haben gehört, dass Ihr bei einem Hinterhalt getötet wurdet.«
»Roth Ursuul hat mich verschont«, erwiderte Brant verbittert. »Als Lohn für meine Dummheit. Es war meine Idee, dass Logan Gyre mit Jenine Gunder verheiratet werden sollte. Ich dachte, wenn die Linie des Königs gesichert wäre, würde
dies einen Staatsstreich verhindern. Stattdessen hat es nur dazu geführt, dass auch Logan und Jenine den Tod fanden.«
»Khalidor hätte sie niemals am Leben gelassen«, erklärte Momma K. »Tatsächlich war es eine Gnade für Jenine. Ursuul hätte sie zu seinem Vergnügen nehmen können, und die Geschichten, die ich gehört habe …«
»Wie dem auch sei«, unterbrach Agon sie, nicht bereit, sich irgendeine Art von Absolution anzuhören. »Ich bin davongekrochen. Als ich nach Hause kam, hatte man meine Frau fortgeholt. Ich weiß nicht, ob sie tot ist oder ob sie eins der ›Vergnügen‹ geworden ist.«
»Oh, Brant, es tut mir so leid«, sagte Momma K.
Mit starrer Miene und ohne sie anzusehen, fuhr er fort: »Ich habe beschlossen, weiterzuleben und mich nützlich zu machen, Shinga. Die noblen Häuser wollen einen gewöhnlichen Krieg ausfechten. Herzogin Graesin wird versuchen, sich ihren Weg zum Thron zu erschmeicheln. Sie haben nicht den Willen zum Sieg … Ich habe ihn, und ich denke, Ihr habt ihn ebenfalls. Ich will siegen. Wenn das nicht möglich ist, will ich so viele Khalidori wie nur möglich töten.«
»Schlagt Ihr vor, mir zu dienen oder mein Partner zu werden?«, fragte Jarl.
»Das schert mich einen Rattenarsch«, antwortete Brant. Er hielt inne. »Und ich weiß jetzt erheblich mehr über Rattenärsche, als ich es je für möglich gehalten hätte.«
»Und was geschieht, wenn wir siegen?«, fragte Jarl. »Ihr werdet abermals versuchen, uns auszulöschen?«
»Wenn wir siegen, werdet Ihr wahrscheinlich zu dem Schluss kommen, dass ich zu gefährlich bin, und mich töten lassen.« Brant lächelte dünn. »Im Augenblick kümmert mich das nicht besonders.«
»Ich verstehe.« Jarl fuhr sich nachdenklich mit den Händen über die vielen dunklen Zöpfchen, zu denen er sein Haar gebunden hatte. »Ich werde keine geteilte Loyalität dulden, Brant. Ihr werdet mir dienen und nur mir. Habt Ihr damit ein Problem?«
»Alle, denen ich irgendetwas geschworen habe, sind tot«, sagte Brant und zuckte die Achseln. »Bis auf meine Gemahlin vielleicht. Aber ich habe einige Fragen. Wenn Ihr der neue Shinga seid, wer ist dann der alte? Lebt er noch? Wie viele Fronten wird dieser Krieg haben?«
Jarl schwieg.
»Ich bin der alte Shinga«, sagte Momma K. »Ich habe mich zurückgezogen, und zwar nicht deshalb, weil Jarl mich dazu gezwungen hat. Ich habe ihn seit Jahren dazu ausgebildet, aber jetzt haben die Ereignisse uns gezwungen, unsere Karten aufzudecken. Das Labyrinth ist unser Machtzentrum, Brant, und die Menschen sterben. Der Hunger ist schon jetzt ein Problem, aber die Pest kommt als Nächstes. Den Gottkönig schert nicht, was hier geschieht. Er hat überhaupt keine Machtstrukturen errichtet. Wenn wir überleben wollen - und mit wir meine ich die Sa’kagé, aber ich meine auch Cenaria und jede erbärmliche Seele im Labyrinth -, müssen die Dinge sich ändern. Wir können immer noch Wagen und Boote herholen; die Soldaten überprüfen die Ladungen auf Waffen, und sie verlangen Bestechungsgelder, aber das können wir überleben. Was wir nicht überleben können, ist das, was geschieht, wenn jeder Wagen, der mit Essen beladen hereinkommt, geplündert wird. Die Menschen hungern, und es gibt keine Wachen, die die Diebstähle verhindern könnten, und wenn ein Wagen geplündert wird, werden alle später kommenden Wagen ebenfalls geplündert. Wenn das geschieht, werden die Kaufleute
aufhören, etwas herzuschicken. Dann werden alle sterben. Wir haben diesen Punkt noch nicht erreicht, aber wir sind nahe dran.«
»Was wollt Ihr also tun?«, fragte Brant.
»Wir werden eine stille Regierung schaffen. Jeder kennt mich«, antwortete Momma K. »Ich kann Schläger einstellen, die die Wagen bewachen; ich kann Streitigkeiten schlichten; ich kann den Bau von Unterkünften überwachen.«
»Das macht Euch zur Zielscheibe«, sagte Brant.
»Ich bin eine Zielscheibe, ganz gleich, was ich tue«,
Weitere Kostenlose Bücher