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Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Titel: Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire McGowan
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unser Zuhause verloren – und alles andere auch. Und rauskommen wird er, das weiß ich.«
    Keisha schwieg einen Moment. »Also gut. Aber dann brauchst du mehr Knete. Sein Job … Die haben ihm ja schon gekündigt, oder?«
    »Ja.« Charlotte ließ sich auf den Ellenbogen nach vorne sinken. »Es ist aber wahrscheinlich sowieso ihre Schuld, dass er so gestresst war. Ich meine, Herrgott, mussten sie ihm denn unbedingt die Karte sperren? Ich weiß, er hat die Beherrschung verloren, aber sie haben ihm auch wirklich übel mitgespielt.«
    Keisha notierte etwas auf einem Zettel. »In den Nachrichten kommt doch ständig, dass diese City-Arschlöcher, wenn sie gefeuert werden, wegen Stress oder was, ihre Firma verklagen. Die kriegen manchmal Millionen.«
    »Meinst du, das sollte ich tun?« Und bedeutete das, dass Keisha auch Dan für ein Arschloch hielt?
    »Ist nur so ’ne Idee. Oder frag seine Eltern – die sind doch reich, stimmt’s?«
    Charlotte wand sich. »Das kann ich nicht.« Keisha sah sie fragend an. Sie versuchte, es zu erklären. »Die sind sehr seltsam drauf, seine Eltern. Sie haben zu unserer Hochzeit nichts beigetragen, und sie gehen ihn auch nicht besuchen. Meine Briefe haben sie einfach zurückgeschickt. Sie haben gesagt, wir sollen uns einen Anwalt nehmen, aber sie könnten uns nicht dabei helfen.«
    Sie sah, dass Keisha nicht überzeugt war. »Ich würd sie trotzdem anpumpen, wenn bei den Geizkragen was zu holen ist. Bei Chris’ Eltern war’s das Gleiche, die haben uns für Ruby auch nie einen Penny gegeben. Haben ihr Geld lieber in Bier investiert.«
    Das gleiche Bild wie bei ihrem Vater, dachte Charlotte – wenn man das Bier durch Courvoisier ersetzte.
    »Mir ist noch was eingefallen«, sagte Keisha und spielte mit dem Stift herum. »Wenn du irgendwas hast, das du verkaufen könntest, könntest du dich damit ’ne Zeit lang über Wasser halten.«
    »Du meinst: Möbelstücke?«
    »Ja, vielleicht, aber hast du schon mal daran gedacht, na ja …« Charlotte sah, dass Keisha den Blick auf ihre Hand gerichtet hatte und auf den Diamanten, der dort prangte.
    »Du meinst, ich sollte meinen Ring verkaufen? Himmelherrgott, nein. Kommt nicht in Frage.«
    »Wieso denn nicht? Ist doch nur Schmuck.«
    Nur Schmuck! Charlotte sah ihre Hand an und den Ring, den Dan ihr an den Finger gesteckt hatte – das Glück jenes Abends, an dem er um ihre Hand anhielt. Sie hörte sich sagen: »Das ist das Einzige, was mir von ihm geblieben ist. Was würde er denken, wenn ich das einfach verkaufen würde, als wäre es eine alte Armbanduhr oder so?«
    Keisha schnaubte verächtlich und stand auf.
    Der nächste Tag war wieder ein Sonntag, und Charlotte stand früh auf und blinzelte in das seltsam friedliche Licht hinaus. Die Straße vor ihrem Fenster war wie leer gefegt, nur hin und wieder glitt leise ein Auto vorbei, und sie empfand wieder diese Traurigkeit, wenn sie an Croissants dachte, an Zeitungen und Gespräche in maulfaulen Halbsätzen. Nein. Nicht daran denken. Sie würde heute wieder ins Gefängnis gehen. Sie verdrängte das, was Dan gesagt hatte. Natürlich wollte er, dass sie ihn besuchte. Das war doch lächerlich. Natürlich musste sie hingehen. Diesmal wählte sie ihre schäbigsten Kleidungsstücke: eine unterm Knie abgeschnittene Jeans, dazu Sneakers und einen Kapuzenpulli – und zwar nicht den aus Oxford, o nein. Ihr war klar, dass sie dort dennoch hervorstechen würde, ihr fehlten die nötige Leck-mich-am-Arsch-Haltung, die glänzenden, billigen Textilien und die Creolen. Sie konnte sich gerade noch bremsen, sich ein paar von Keishas Sachen zu borgen, um dort passend gekleidet zu erscheinen.
    Keisha. Sie schlief noch, und ihr Schnarchen dröhnte durch die Tür des Gästezimmers. Charlotte klopfte bei ihr an und fand es seltsam, das in der eigenen Wohnung zu tun. So klein sie auch war, war ihr doch jeder Winkel dieser Wohnung so vertraut wie früher einmal Dans Körper. »Keisha?«
    Einen ganzen Moment lang Schweigen, dann ein gedehntes Ächzen. »Es ist echt früh, Mann!«
    »Ja. Ich muss los. Du weißt schon, nach Pentonville.« Sie zögerte. Aber das Schöne an Keisha war auch, dass diese Gefängnisdinge sie nicht im Mindesten aus der Ruhe brachten.
    Keisha machte die Tür auf. Ihr Haar stand in alle Himmelsrichtungen ab, als hätte sie einen dieser Generatoren aus dem Physikunterricht angefasst. Das Zimmer hinter ihr war bereits ein einziges Durcheinander. Überall lagen Klamotten oder stand Schmutzgeschirr.

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