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Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Titel: Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire McGowan
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Geschäft gemacht hatte?
    Es folgte der dritte Tag: schlafen, essen, sich heiser reden, der Couchtisch voller Flipskrümel, klebriger Nudelreste und fleckiger Teebecher.
    »Eigentlich hätten wir jetzt in Jamaika sein sollen«, sagte Charlotte halb lachend und schüttelte die Reste aus einer Tüte Doritos . »Ich muss immer wieder daran denken. Ich hatte diese Bilder im Kopf, weißt du, Candle-Light-Dinner am Strand, Sonnenuntergänge, Cocktails …« Sie verstummte, als sie Keishas Gesichtsausdruck sah. »Du weißt ja, wie das so ist im Urlaub. Ich male mir immer aus, wie es wird: türkisblaues Wasser, weißer Sand. Und in Wirklichkeit ist es dann immer viel zu heiß, und ich werde von den Moskitos zerstochen.«
    »Ich war noch nie im Urlaub«, sagte Keisha mit einem Achselzucken und nestelte an einem Knoten in ihrem Haar herum.
    Charlotte war so bestürzt, dass sie herausplatzte: »Was? Echt? Noch nie?«
    »Nein.« Keisha warf ihr einen bösen Blick zu. »Meine Mum war aus Jamaika. Ist mit dem Schiff rübergekommen. Anschließend aber wollte sie nie wieder verreisen. Ist nicht mal mit der U-Bahn gefahren. Wir sollten mal einen Schulausflug machen, nach Southend, aber da bin ich vorher rausgeflogen.«
    »Oh.« Wieder hatte Charlotte das Gefühl, dass sie mit dieser Frau erst noch einen gemeinsamen Nenner finden musste.
    »Dann sitzen wir ja jetzt im selben Boot«, sagte Keisha und hievte ihre großen Füße mit den langen Zehennägeln aufs Sofa. »In gar keinem Boot nämlich. Ha, ha, ha.«
    Ja, das stimmt, dachte Charlotte. Es war nicht das, was sie erwartet hatte, aber im Moment bot sich nichts anderes.
    Irgendwann begann das Kassenzettelsammeln und Durchzwei-Teilen Charlotte auf die Nerven zu gehen. »Wieso gehst du nicht einfach zu dem Pflegeheim und holst deinen Lohn ab?«
    Keisha erstarrte. »Ach nee.«
    »Komm, er wird schon nicht da sein. Glaubst du etwa, er kann überall gleichzeitig sein?« Als sie das sagte, fürchtete sie, zu weit gegangen zu sein. Obwohl sie Keisha kaum kannte, hatte sie sich ihre flapsige Art zu reden schon zu eigen gemacht.
    Keisha murmelte: »Das ist mir klar. Ich bin ja schließlich nicht bescheuert.«
    »Ich weiß, ich weiß. Entschuldige bitte. Aber – meinst du nicht, dass wir mal hingehen sollten? Du hast doch gesagt, dass er aus der Wohnung rausmusste, nicht wahr?«
    »Das hat Jonny behauptet. Und dem glaub ich kein Wort.«
    »Ich würde auch mitkommen. Würdest du dich nicht freuen, endlich dein Geld zu bekommen?« Sie wusste ja mittlerweile, wie stolz Keisha war.
    »Also gut.«
    Und so kam es, dass sie nun in einem klapprigen, schnaufenden Bus saßen – Charlotte war seit ihrer Schulzeit nicht mehr Bus gefahren –, der die Finchley Road raufkroch. Charlotte schwitzte in ihren Lammfellstiefeln. Zwischen den beiden hatte sich betretenes Schweigen breitgemacht. »Ganz schön weit, was?«
    Keisha ließ ihren Kaugummi knallen. »Diese Strecke gehe ich normalerweise jeden Abend zu Fuß. Und wieder zurück, um vier Uhr früh.«
    Das brachte Charlotte erneut zum Verstummen.
    Als sie sich dem Heim näherten, wurden sie beide nervös. Charlotte bekam leichtes Muffensausen bei dem Gedanken, dieses Heim zu betreten, und sie sah, dass Keisha sich ängstlich umsah, als hätte sich Chris womöglich im Gebüsch versteckt. Drinnen dann schlug Charlotte der Gestank von Putzmitteln entgegen und davon, was sie kaschieren sollten – menschlichen Exkrementen. Sie musste ein würgendes Geräusch von sich gegeben haben, denn Keisha warf ihr diesen bestimmten Blick zu, der ihr zusehends auf die Nerven ging.
    Keisha flog förmlich durch die Pendeltüren, und die Sohlen ihrer Sneakers quietschten über den Boden. »Wart mal kurz hier, ja?«
    Charlotte wartete beklommen in der Eingangshalle. Durch eine offene Tür sah sie alte Leute mit leerem Blick in Sesseln sitzen und dann einen ganzen Raum voll Beige: beige Strickjacken, beige Hosen, beige Gesichter. Sie sah eine Frau, die sich auf die Brust sabberte, und schauderte. Was machte sie eigentlich hier? Sie hatte bis dahin kaum gewusst, dass es solche Orte überhaupt gab – nur ein Stück die Straße hinauf von dort, wo Dan und sie immer den Guardian kauften und ofenfrische Croissants aßen. Der Fußboden, das fiel ihr auf, war aus dem gleichen blauen, getüpfelten Kunststoff wie auf der Gerichtstoilette. Bei dieser Erinnerung lief es ihr kalt über den Rücken.
    Dann flog die Pendeltür wieder auf, und Keisha kam heraus. Sie wirkte stinksauer, aber

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