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Am Seidenen Faden

Titel: Am Seidenen Faden Kostenlos Bücher Online Lesen
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ablesen.
    Robert Crowe schüttelte den Kopf, und ich entdeckte einige graue Härchen an seinen Schläfen. Dadurch wirkte er auf mich nur noch distinguierter.
    »Nur ein Ehemann?« fragte er.
    »Ziemlich langweilig, hm?« versetzte ich.

    »Eher erstaunlich«, entgegnete er. »Und was hast du hier bei Gericht zu tun?«
    Ich warf einen Blick zu meiner Schwester hinüber, die immer noch ungeduldig und aufgeregt an der Tür stand. »Ehrlich gesagt, das weiß ich selbst nicht genau. Und warum bist du hier? Bist du Journalist?«
    »Nicht direkt. Ich habe einen Rundfunksender, WKEY.«
    »Ach so.« Ich hoffte, man merkte mir nicht an, wie beeindruckt ich war.
    »Normalerweise wäre ich nicht hier. Wir haben selbstverständlich unsere Reporter, die den Prozeß verfolgen …«
    »Ja, natürlich«, stimmte ich zu.
    »Aber ich hatte in der Nähe eine Verabredung zum Lunch, und da dachte ich …« Er brach ab. »Du bist sehr schön«, sagte er.
    Ich lachte laut. Wahrscheinlich, um nicht in Ohnmacht zu fallen.
    »Warum lachst du? Glaubst du mir nicht?«
    Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoß, meine Knie zittrig wurden, meine Körpertemperatur in die Höhe schoß. Na wunderbar, dachte ich, das ist genau der richtige Moment, um mich in einen knallroten, schwitzenden Wackelpudding zu verwandeln. Das wird ihn bestimmt tief beeindrucken.
    »Es ist einfach lange her, seit jemand mir gesagt hat, ich sei schön«, hörte ich mich sagen.
    »Larry sagt dir nicht, wie schön du bist?« Seine Lippen kräuselten sich um den Vornamen meines Mannes, und er sah mich lächelnd an. Er spielt mit mir, dachte ich.
    An der Tür gab es Bewegung. Colin Friendlys Anwälte waren im Begriff, den Gerichtssaal zu verlassen.
    »Mr. Amstrong«, hörte ich meine Schwester rufen und sah, wie sie den Brief, den sie in der Mittagspause verfaßt hatte, dem Anwalt im grauseidenen Anzug hinstreckte, »ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dafür sorgen könnten, daß Colin das bekommt. Es ist sehr wichtig.«
    »Gräßlich«, bemerkte Robert.

    »Was ist gräßlich?«
    »Diese Gerichtsgroupies. Die gibt’s bei jedem Prozeß. Je grausiger das Verbrechen, desto begeisterter die Fans.« Er schüttelte den Kopf. »Da fragt man sich wirklich.«
    »Was? Was fragt man sich?«
    »Was für ein Leben diese armen Irren eigentlich führen. Ich meine, sieh dir doch diese Frau mal an. Sie sieht gar nicht übel aus; sie würde wahrscheinlich ohne Probleme einen Mann finden, trotzdem rennt sie einem Kerl hinterher, der sich damit stimuliert, daß er Frauen umbringt und verstümmelt. Ich versteh das nicht. Du?«
    Ich schüttelte den Kopf, obwohl ich kaum noch etwas mitbekommen hatte, nachdem er gesagt hatte, »Sie sieht nicht übel aus«. Eben hatte er mir gesagt, ich sei schön. Jo Lynn sah für ihn bloß »nicht übel« aus. In meiner Eitelkeit geschmeichelt, kriegte ich das gar nicht mehr aus dem Kopf.
    »Und was treibt Larrys Frau, wenn sie nicht gerade Sensationsprozesse besucht?« fragte er.
    Die Erwähnung meines Ehemanns ernüchterte mich. »Ich bin Therapeutin.«
    »Ja, richtig, ich erinnere mich, daß du dich immer schon für diese Dinge interessiert hast.« Er schaffte es, den Eindruck zu erwecken, als hätte er sich tatsächlich für irgend etwas interessiert, was ich vor dreißig Jahren erzählt hatte. »Die kleine Kate Latimer hat sich also zu der Frau entwickelt, die sie immer werden wollte.«
    Hatte ich das wirklich? fragte ich mich. Wenn ja, weshalb war sie mir dann so fremd?
    »Tja, Kate Latimer, es war sehr nett, dich nach so vielen Jahren wiederzusehen.« Sein Gesicht näherte sich dem meinen. Wollte er mich küssen? Würde ich es ihm erlauben? War ich eigentlich eine komplette Idiotin?
    »Jetzt Kate Sinclair«, erinnerte ich uns beide.
    Er sah mir tief in die Augen, neigte den Kopf leicht zur Seite, nahm meine Hand und hob sie langsam zu seinem Mund. Seine
Lippen streiften meinen Handrücken. Ich will gar nicht beschreiben, was für eine Wirkung das auf mich hatte, zumal ich sowieso schon Mühe hatte, mich nicht in Wohlgefallen aufzulösen.
    »Oh – oh!« sagte er plötzlich.
    Ich erstarrte. »Was ist los?«
    »Diese Frau aus dem Colin-Friendly-Fanclub kommt direkt auf uns zu.«
    »Okay, wir können gehen«, verkündete Jo Lynn, als sie neben mich trat. Ihr Blick wanderte zwischen mir und Robert Crowe hin und her.
    »Jo Lynn«, sagte ich, »darf ich dir Robert Crowe vorstellen. Robert, das ist meine Schwester, Jo Lynn Baker.«
    »Du darfst mich auf der

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