Am Seidenen Faden
kam, wie gesagt, ganz darauf an, wieviel wir zu tun hatten.«
»Wie alt sind Sie, Mr. Friendly?«
»Zweiunddreißig.«
»Was für eine Ausbildung haben Sie?«
»Ich war zwei Jahre auf dem College.«
»Auf welchem College?«
»Auf der Florida State University.«
»Sind Sie oder waren Sie verheiratet?«
»Noch nicht.« Er lächelte Jo Lynn direkt an.
Jo Lynn drückte mir die Hand. Mir drehte sich der Magen um.
»Mr. Friendly«, sagte der Anwalt, »Ihnen sind die Beschuldigungen gegen Sie bekannt?«
»Ja.«
»Ist irgend etwas an diesen Beschuldigungen wahr?«
»Nein.«
»Haben Sie Marie Postelwaite vergewaltigt und ermordet?«
»Nein, Sir.«
»Haben Sie Christine McDermott vergewaltigt und ermordet?«
»Nein, Sir.«
»Haben Sie Tammy Fisher vergewaltigt und ermordet?«
»Nein, Sir.«
»Haben Sie Cathy Doran vergewaltigt und ermordet?«
»Nein, Sir.«
»Haben Sie Janet McMillan vergewaltigt und ermordet?«
»Nein, Sir.«
Ich ertappte mich dabei, daß ich jeden einzelnen Namen an meinen Fingern abhakte, während mir immer kälter wurde.
»Haben Sie Susan Arnold vergewaltigt und ermordet?«
»Nein, Sir.«
»Haben Sie Marilyn Greenwood vergewaltigt und ermordet?«
»Nein, Sir.«
»Haben Sie Marni Smith vergewaltigt und ermordet?«
»Nein, Sir.«
»Haben Sie Judy Renquist vergewaltigt und ermordet?«
»Nein, Sir.«
Jo Lynn neigte sich zu mir herüber und flüsterte mir ins Ohr: »Schau dir seine Augen an. Da sieht man doch gleich, daß er die Wahrheit sagt.«
Ich sah mir seine Augen an, sah nur Böses.
»Haben Sie Tracey Secord vergewaltigt und ermordet?« fuhr Jake Armstrong fort.
»Nein, Sir.«
»Haben Sie Barbara Weston vergewaltigt und ermordet?«
»Nein, Sir.«
Ich starrte die Geschworenen an. Aller Augen waren auf den Angeklagten gerichtet, aller Ohren lauschten der schrecklichen Litanei aus dem Mund der Verteidigung. Konnte es unter diesen Leuten auch nur einen geben, der mit meiner Schwester übereinstimmte? Und wenn es einen gab, konnte es dann vielleicht auch mehrere geben? Bestand auch nur die geringste Chance, daß Colin Friendly freigesprochen werden würde, daß er diesen Gerichtssaal als freier Mann verlassen würde?
»Haben Sie Wendy Sabatello vergewaltigt und ermordet?« fragte der Verteidiger, nun fast am Ende seiner Liste.
»Nein, Sir.«
»Haben Sie Maureen Elfer vergewaltigt und ermordet?« schloß er, die letzte der dreizehn unglücklichen Frauen nennend.
»Nein, Sir«, lautete die automatische Antwort.
Haben Sie Amy Lokash vergewaltigt und ermordet? fragte ich im stillen. Haben Sie ihr die Nase zertrümmert, mit dem Messer auf sie eingestochen und sie schließlich halbtot in einem unwirtlichen Sumpf liegengelassen? Werden wir je erfahren, was ihr zugestoßen ist?
»Ich könnte niemals einem anderen etwas zuleide tun«, sagte Colin Friendly, als spräche er mich direkt an.
»Ich danke Ihnen, Mr. Friendly«, sagte sein Anwalt. »Keine weiteren Fragen.« Jake Armstrong kehrte zu seinem Platz zurück, knöpfte sein Jackett auf, nickte Howard Eaves zu, der sofort aufstand, seinerseits damit beschäftigt, sein Jackett zuzuknöpfen.
»Sie könnten also niemals einem anderen etwas zuleide tun«, wiederholte Eaves, noch ehe er ganz aufgestanden war.
»Nein, Sir.«
»Auch nicht Ihrer Mutter?«
»Meiner M-mutter?« Colin Friendly geriet kurz ins Stottern.
»Jetzt schau mal, was dieser gemeine Kerl gemacht hat«, flüsterte Jo Lynn. »Er hat ihn ganz nervös gemacht. Laß dich nicht aus der Ruhe bringen, mein Schatz«, tröstete sie. »Er kann dir nichts anhaben.«
»Haben Sie nicht Ihrer Mutter das Nasenbein gebrochen, so daß sie ins Krankenhaus gebracht werden mußte?«
»Einspruch, Euer Ehren«, rief der Verteidiger. »Das ist irrelevant und präjudizierend.«
Howard Eaves lächelte und strich sich über das schüttere Haar. »Colin Friendly selbst hat diese Fragen herausgefordert, als er soeben erklärte, er könne niemals einem anderen etwas zuleide tun. Der Staat kann den Gegenbeweis antreten. Es geht um die Glaubwürdigkeit, Euer Ehren.«
»Ich lasse die Frage zu«, erklärte Richter Kellner.
»Haben Sie also Ihrer Mutter das Nasenbein gebrochen, so daß sie ins Krankenhaus gebracht werden mußte?«
Colin Friendly senkte den Kopf. »Das ist so lange her, Sir. Ich wollte ihr nichts antun.«
»Ist es nicht richtig, daß Sie Ihre Mutter so heftig geschlagen haben, daß sie beinahe eine Woche im Krankenhaus bleiben mußte?«
Meine Schwester zischte
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