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Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Titel: Am Sonntag blieb der Rabbi weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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begrüßte die Gäste ihrer Eltern.
    «Warst du die ganze Zeit schon da?», fragte Gorfinkle. «Was hast du denn gemacht?»
    «Telefoniert», sagte ihre Mutter, noch ehe sie antworten konnte. «Was denn sonst?»
    «Also, Mammi!», protestierte Didi. Dann, zu den Gorfinkles: «Wir organisieren am Montagabend ein Picknick am Strand. Wann kommt Stu nach Hause?»
    «Vermutlich Sonntag gegen Mittag», antwortete Gorfinkle.
    «Hoffentlich hat er noch nichts vor. Es sollen alle dabei sein, auch die Jungen, die auswärts studieren. Ich denke, bis morgen sind alle da. Darum haben wir den Montag gewählt.»
    «Wo soll das Picknick denn stattfinden, Liebling?», fragte die Mutter.
    «Drüben an Tarlow’s Point.»
    «Montag? Da habt ihr nicht mehr viel Zeit für große Vorbereitungen. Hast du alle benachrichtigt?»
    «Nein, nur Bill Jacobs, Sue Arons und Adam Sussman. Die meisten kommen erst heute Abend spät oder morgen im Laufe des Tages zurück. Wir sehen uns ohnehin morgen Nachmittag beim Rabbi.»
    «Warum?», fragte Gorfinkle. «Hat er euch eingeladen?»
    «Nicht so richtig. Aber das ist immer so: Die älteren Kinder schauen am ersten Feriensonntag bei ihm rein. Jeder kommt und geht, wie er Lust hat; man erzählt, wie’s in der Schule war und an der Universität und so.»
    «Hm … interessant.» Gorfinkle fand es wirklich interessant. «Wie kommt das? Ich meine, woher stammt diese … eh … Tradition?»
    «Früher hat er manchmal die Abschlussklassen bei sich zu Hause unterrichtet. Da hat sich’s halt eingebürgert, dass man von Zeit zu Zeit zu ihm geht – einfach so.»
    «Sag mal … Ist er bei euch jungen Leuten beliebt? Mögen ihn alle?»
    Sie überlegte. Die Frage schien einiges Nachdenken zu erfordern. «Er ist nicht gerade amüsant», meinte sie zögernd, «aber … Er schmeißt sich nicht an, verstehen Sie? Und …»
    «Ja?»
    «Er nimmt einen für voll», sagte sie schließlich. Sie hatte jetzt die richtigen Worte gefunden. «Er redet mit einem wie mit einem Erwachsenen.»
13
    Sofort nach der Rückkehr rief der Rabbi bei Wasserman an, der eben von der Vorstandssitzung zurückkam.
    «Mr. Wasserman? Rabbi Small. Tut mir Leid, ich hab’s nicht früher geschafft. Die Leute vom College haben gestern Abend für mich eine Party gegeben. Ganz unerwartet.»
    «Na ja – so was gibt’s. Wenn’s eine Party für Sie war, da mussten Sie natürlich hingehen.»
    «Erzählen Sie … Wie war die Sitzung? Hat’s was Besonderes gegeben?»
    «Es war, wie ich’s erwartet hatte. Gorfinkle hat die Besetzung der Kommissionen bekannt gegeben.»
    «Tatsächlich? Und wer sitzt drin?»
    «Wenn’s ihm darum ging, tüchtige Leute zu nehmen, dann hat er die richtigen. Aber wenn er vorhat, einen Streit vom Zaun zu brechen, dann hat er auch die richtigen.»
    «Ist es wirklich so schlimm? Was sagt denn Paff dazu? War er dabei?»
    «Ja. Aber er hat den Mund nicht aufgemacht. Edelstein auch nicht, Kallen nicht – keiner. Wahrscheinlich geben sie nach. Eine Zeit lang werden wir wohl Ruhe haben. Wer weiß, wie lange.»
    Dem Rabbi war die Sache nicht geheuer. «Wie meinen Sie das – den Mund nicht aufgemacht … Hatten sie überhaupt Gelegenheit zum Sprechen? Gab es Zeit für eine Diskussion?»
    «Oh, mehr als genug. Aber sie haben nicht diskutiert – kein Einwand, keine Widerrede. Nichts.»
    «Hm …» Der Rabbi zögerte. «Das gefällt mir nicht», sagte er schließlich.
    «Warum nicht?», fragte Wasserman. «Erinnern Sie sich, was ich Ihnen damals gesagt hab? Es ist wie mit der Ehe. Solange es nicht zu einem offenen Bruch kommt, ist noch alles zu retten.»
    «Ja – aber wenn die beiden überhaupt nicht mehr miteinander reden? Wenn der Mann die Frau beschimpft, und sie antwortet nicht einmal – das kann bedeuten, dass sie ihren Entschluss bereits gefasst hat … Ich finde, Paff hätte reagieren müssen. Und dass die andern auch geschwiegen haben … Nein, das gefällt mir ganz und gar nicht.»
    «Meinen Sie, die haben was vor? Na ja – möglich wär’s. Nach dem, was Freitagabend im Gottesdienst passiert ist …»
14
    «Also, Meyer», sagte Dr. Edelstein zu Paff, der den Wagen durch den dichten Verkehr manövrierte, «wie geht’s jetzt weiter? Wir haben getan, was du gesagt hast. Wir haben den Mund gehalten. Gorfinkle konnte ungestört Roger Epstein zum Präsidenten der Ritualkommission ernennen und Ted Brennerman zum Präsidenten der Sitzkommission … Es war sozusagen das Ausrufungszeichen hinter seiner Predigt am Freitag. Und

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