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Am Sonntag stirbt Alison

Am Sonntag stirbt Alison

Titel: Am Sonntag stirbt Alison Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klimm
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gesehen. Das Mädchen von den Fotos. Es gab sie tatsächlich. Sie saß dort drinnen und sie war lebendig. Ich bin nicht zu spät gekommen. Diesmal bin ich nicht zu spät. Lys duckte sich in den Schatten und überlegte fieberhaft. Die Hütte hatte keinen Hintereingang. Es gab also nur einen Weg zu Alison – direkt an der Nase des Entführers vorbei. Wenn man ihn nur irgendwie von seinem Platz locken könnte. Vielleicht sollte sie mit irgendetwas Lärm machen, damit er aufstand und nach draußen kam, um nachzusehen…
    Wenige Sekunden später merkte sie, dass ihre Überlegungen unnötig gewesen waren. Die Vordertür klappte und Lys sah, wie der Mann heraustrat. Schnell drückte sie sich gegen die Hüttenwand und hielt erschrocken die Luft an. Dann stellte sie auch noch fest, dass sie mitten im Lichtkegel saß, der aus dem Fenster fiel. Panik stieg in ihr auf. Doch sie hatte Glück. Der Fremde sah überhaupt nicht in ihre Richtung, sondern starrte, ohne den Blick zu heben, auf seine Hand, in der das Display seines Handys bläulich schimmerte. Dann lief er zum Auto hinüber, wobei er das Handy immer wieder nach links und rechts schwenkte, offenbar auf der Suche nach Empfang.
    Lys schlich bis zur Ecke vor. Der Mann war nur gut fünf Meter von ihr entfernt, aber er sah in die Gegenrichtung und war weiterhin voll und ganz auf sein Handy konzentriert. Die Hüttentür stand offen.
    Lys war nach drinnen gehuscht, bevor ihr recht bewusst war, was sie da gerade tat. Sie hastete zur Verbindungstür, die in den hinteren Raum führte, und drückte die Klinke hinunter. Auch diese Tür war nicht abgeschlossen. Lys stutzte einen Moment. Dieser Typ war entweder leichtsinnig oder total vergesslich. Mit einem leisen Quietschen schwang die Tür nach innen. Lys huschte hinein und schloss die Tür hinter sich. Langsam drehte Lys sich um und hob den Kopf. Ihre Blicke trafen sich. Dort saß sie, Alison. Für eine gefühlte Ewigkeit war es totenstill im Raum und niemand sagte ein Wort.
    »Hallo«, flüsterte Lys schließlich leise. »Ich bin Lys. Lysande Thieler.« Langsam ging sie ein paar Schritte in den Raum hinein, bis zum Tisch.
    Alison sagte nichts. Ihre Augen waren weit aufgerissen, ihr Gesicht schneeweiß.
    »Ich bin hier, um dich zu befreien«, sagte Lys. Der Satz klang sonderbar. Die ganze Situation hatte etwas Surreales. Wie im falschen Film. »Du musst jetzt mitkommen, schnell.«
    Alison reagierte immer noch nicht. Sie saß auf dem Stuhl, als sei sie daran festgeklebt.
    »Bitte, wir müssen hier weg«, drängte Lys, »bevor er zurückkommt.«
    Alisons Augen huschten nervös umher. Bestimmt stand sie unter Schock.
    »Bitte, steh auf.« Lys griff nach Alisons Arm und versuchte, sie nach oben zu ziehen. »Wir müssen…«
    Und in diesem Augenblick öffnete sich die Tür.
    Alles erstarrte. Im Türrahmen stand der Mann aus dem Olympiaviertel. Sein Gesicht war für einen Moment ausdruckslos, dann nahm es einen wütenden Ausdruck an. »Du!«, keuchte er und machte einen Schritt auf Lys zu.
    Lys sprang zur Seite. Sie täuschte an und steuerte für ein, zwei Sekunden die linke Ecke des Raumes an, als ob sie versuchen wollte, dort an dem Fremden vorbeizukommen. Er reagierte wie erwartet, machte einen Ausfallschritt in diese Richtung, den Arm nach ihr ausgestreckt. Im gleichen Moment warf sich Lys blitzschnell nach rechts, sprang über das ausgestreckte Bein des Mannes hinweg und stürmte durch die Tür. Der gleiche Trick, mit der sie vor einem Jahr das Siegtor im Spiel gegen den SV Waldhof Mannheim geschossen hatte. Da soll noch einer sagen, beim Fußball lernt man nichts fürs Leben.
    »Stehen bleiben!« Die Stimme des Mannes war schrill vor Panik. Lys rannte durch den vorderen Raum, hörte seine Schritte hinter sich auf den Holzbohlen. In der Tür drehte sie sich kurz nach ihm um. Im gleichen Moment stieß sie mit einem weichen Körper zusammen und fiel zu Boden. Sie fühlte, wie der andere auf sie drauffiel, stieß ihn zurück und kämpfte sich auf die Füße, bereit, ihren neuen Gegner mit einem Tritt zurückzustoßen. »Lys!«, schrie der in diesem Moment. »Ich bin’s.«
    Sebastian. Wieso macht der eigentlich nie, was man ihm sagt? »Lauf!«, kreischte Lys.
    »Stehen bleiben!«, brüllte es da wieder unmittelbar hinter ihr.
    Sebastian sprang auf die Füße. Sie rannten, stolperten über das dunkle Gras, bis sie den Schotter des Wegs unter ihren Sohlen spürten. »Hier lang!« Sebastian wandte sich nach rechts, stürmte auf ein

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