Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Strand des Todes

Am Strand des Todes

Titel: Am Strand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
Vom Netzwerk:
Ihre Finger prickelten
und ihre Haare schienen sich wie elektrisiert aufzurichten. Mit
ausdruckslosen Augen starrte sie in die Nacht, während ihre
verwirrten Gedanken vergeblich versuchten, dieses seltsame
Gefühl mit den furchteinflößenden Gestalten am Strand in
Einklang zu bringen. Diese Fremden mit ihren toten Augen und
den in Agonie erstarrten Gesichtern hoben die Arme und
streckten die Hände nach etwas, das Miriam nicht erkennen
konnte. Sie stand auf und ging quer über den Strand darauf zu,
gezogen von einer Macht, gegen die sie wehrlos war.
Missy spähte mit weit aufgerissenen, schreckerfüllten Augen
über den Stamm hinweg.
    Am Strand bewegten sich jetzt mehrere Schattengestalten.
Nur eine hatte deutlichere Umrisse; langsam und stetig schritt
sie aufs Wasser zu. Missy wollte in die Dunkelheit
hinausschreien, um das sich in tödlicher Stille inmitten des
tosenden nächtlichen Mahlstroms entfaltende Geschehen
aufzuhalten. Aber ihre Stimme versagte, der Schrei erstickte im
Hals. Starr vor Entsetzen sah sie, wie die vor dem düsteren
Hintergrund von Himmel und Meer fluoreszierenden Schatten
sich um diese andere Gestalt drängten, die ganz unzweifelhaft
menschliche Konturen hatte.
    Enger und enger wurde ihr Kreis, bis Missy nichts mehr
unterscheiden konnte und die einzelne Gestalt von den übrigen
aufgesogen schien. Das kleine Mädchen schreckte hoch, als ob
es aus einer Trance erwachte. Es griff nach dem Bruder an
seiner Seite.
Doch Robby war verschwunden.
     
Trotz ihrer Panik zwang sich Missy, noch einmal auf den
    Strand hinauszublicken.
Er lag leer und verlassen.
Wo noch wenige Augenblicke zuvor die Nacht mit
    unheimlichen Schatten erfüllt gewesen war, blickte man jetzt
nur noch in die von jagenden Wolken und sich türmenden
Wogen durchtoste Finsternis.
In Todesangst hastete Missy nach Hause.
     
Robby lag friedlich schlafend im oberen Bett.
    An der Sod Beach wusch die steigende Flut den Sand von dem
Hundekadaver, und Augenblicke später riß eine durch den
Sturm aufgepeitschte Woge Snookers Überreste in die See
hinaus.
Missy lag noch lange wach in ihrem Bett; Miriam Shelling
aber war vom Strand verschwunden.
     
7
    Merle Glind schaute kurz auf, als Brad und Elaine Randall am
nächsten Morgen die Treppe herunterkamen und beschäftigte
sich dann wieder nervös mit den Rechnungen vom Vortag; er
schaute sie bereits zum fünften Mal durch, während die beiden
an ihm vorbeigingen. Sein Blick folgte ihnen durch die
Vordertür.
    »Hast du nicht auch das Gefühl, daß Mr. Glind uns gar nicht
gerne sieht?« fragte Elaine, während sie die wenigen Stufen
vom Vorbau zur Straße hinabstiegen.
    »Vielleicht hat er schlecht geschlafen«, meinte Brad.
»Ich glaube, er billigt nicht, was wir vorhaben«, fuhr Elaine
fort und drückte Brads Arm. »Und ich vermute, daß er nicht
der einzige ist. Ein ganzes Jahr nichts tun als ein Buch
schreiben, das ist einfach skandalös!« Der ironische Unterton
war unüberhörbar. Sie sog die frische Morgenluft in ihre
Lungen und blickte sich um. »Wollen wir ins Cafe gehen, ich
bin hungrig.«
    »Ich plädiere fürs Revier«, erwiderte Brad, »falls es wirklich
ein Haus für uns gibt, sollten wir uns drum kümmern – wenn
das stimmt, was Glind gestern gesagt hat, dauert es vielleicht
den ganzen Tag, bis wir diesen – wie heißt er doch gleich? –
dazu bringen, es uns zu geben.«
    »Er heißt Whalen, und es wäre gut, wenn du dir das merkst.
Sieht mir wie ein echter Provinzspießer aus, einer dieser
Kleinstadtdiktatoren, und du wirst bei ihm bestimmt nichts
erreichen, wenn du nicht mal seinen Namen weißt.«
    Sie gingen am Wasser entlang und dann über die Harbor
Road den Hügel hoch. Einige Minuten später stießen sie auf
die winzige Polizeistation.
    »Sie sind wahrscheinlich die Randalls«, begrüßte sie der
Polizeichef ohne aufzustehen. Brad und Elaine tauschten einen
raschen Blick aus. Harney Whalen schien sie erwartet zu
haben.
    »Brad Randall
– und das ist meine Frau Elaine.« Brad
vermied es bewußt, seinen Titel zu erwähnen. Aber sie mußten
sofort erfahren, daß es in Clark’s Harbor keine Geheimnisse
gab.
    »Dr. Randall, nicht wahr?« fragte Harney sanft, »man sagte
mir, Sie seien Psychiater.« Weder bot er ihnen einen Stuhl an
noch erklärte er ihnen, wer ›man‹ war.
    Brad erkannte sofort, daß Whalen mit ›Kleinstadtdiktator‹
nur unzulänglich umschrieben war. Ganz offensichtlich
verstand er einiges vom Manipulieren von Menschen und
verhandelte mit

Weitere Kostenlose Bücher