Am Strand von Acapulco
nicht zu vergleichen."
Ruth stützte das Kinn auf die Hände. „Willst du mir die Sache etwa madig machen? "
„Aber nein!" John wirkte betreten. „Damit ... Wie soll ich mich ausdrücken? Das Klima ist viel drückender, es gibt keine Infrastruktur wie hier und ... Auf jeden Fall braucht man eine Weile, bis man sich an das Leben in Puerto Roca gewöhnt hat. Doch ich schätze, du bist da in einer ganz guten Ausgangslage. Als Jungverheiratete würdest du dir wahrscheinlich überall wie im siebten Himmel vorkommen."
„Meinst du?" Ruth war sich da nicht so sicher, und um das Thema zu wechseln, fragte sie: „Was habe ich hier eigentlich auf dem Teller?"
„Das Gericht heißt hallaca und ist eine örtliche Spezialität. Schmeckt's dir?"
„Ich bin nicht sicher. Das sind doch Bananenblätter, oder?" Ruth schnitt ein Gesicht.
„Ja, aber die isst man nicht mit. In den Maistaschen befinden sich klein geschnittenes Huhn, Rind-und Schweinefleisch, Oliven, Zwiebeln und landestypische Gewürze.
Eigentlich wird es vor allem zu Weihnachten gegessen, aber ich habe den Koch ge beten, eine Ausnahme zu machen, weil ich finde, dass es sich gut als Einstiegsgericht in die venezolanische Küche eignet. Es ist nicht so scharf wie die anderen Speisen."
Ruth lächelte und schob sich eine extra voll gehäufte Gabel in den Mund. Nachdem sie einen Schluck Wein getrunken hatte, der, wie John erklärte, nicht aus dem Land kam, wollte sie wissen: „Und was machen wir nach dem Essen?"
„Keine Ahnung! Eigentlich dachte ich, du möchtest dich ausruhen - in deinem Zustand
..."
„Mach dir darüber mal keine Sorgen!" beeilte sich Ruth zu sagen, fügte dann aber erklärend hinzu: „Ich war ja nicht den ganzen Tag unterwegs und bin die Strecke in Etappen geflogen. Erst über New York, weil mein Vater dort wieder zu tun hat, dann nach Fort Lauderdale in Florida, so dass ich heute nur drei, vier Stunden im Flieger sitzen musste und überhaupt nicht müde bin."
„Das heißt also, du willst eine richtige Besichtigungstour machen?"
„Wenn das möglich wäre?" Ruths Augen strahlten.
„Warum nicht?" John lächelte.
Es war ein herrlicher Abend, viel kühler als tagsüber, und Ruth brauchte sogar eine Jacke. John und sie schlenderten durch die Altstadt, fuhren dann mit dem Taxi zum Centro Bolivar, einem riesigen Verwaltungskomplex und Einkaufszentrum, unter dem die Avenida Bolivar breitspurig hindurchgeleitet wurde. Schließlich nahmen sie die Seilbahn, um vom Berg Avila aus den Blick auf die nächtlich erleuchtete Stadt zu genießen.
„Tagsüber kann man durch den Nebelwald nach Galipan laufen", sagte John auf dem Rückweg.
„Was ist das?"
„Eine Blumenoase, wenn du so willst. Wirklich hübsch anzusehen."
„Und was versteht man unter dem Nebelwald?"
„Der Wald liegt so hoch, dass er fast immer in eine Wolkendecke gehüllt ist. Dort findet man Moose und Farne aller Art."
Ruth nickte. „Ich muss wohl noch einmal herkommen. Auf jeden Fall danke ich dir, dass du mir das alles gezeigt hast."
„Einer Frau wie dir macht man gern eine Freude!"
Ruth lächelte und tat so, als musste sie ein Gähnen unterdrücken, damit sie einen Grund hatte, sich auf ihr Zimmer zurückzuziehen. Doch nachdem sie John im Hotelflur eine gute Nacht gewünscht hatte, konnte sie längst nicht schlafen. Sie war viel zu aufgeregt. Deshalb ging sie noch einmal zum Fenster und blickte in den nächtlichen Garten. Während sie tief den süßlichen Blumenduft einatmete, dachte sie daran, wo sie morgen um diese Zeit wäre. In Patricks Armen!
Wie sah wohl das Haus aus, das er für sie beide gemietet hatte? Wie würde er sie empfangen? Hätten sie zwei getrennte Schlafzimmer? Oder würden sie sich ein Doppelbett teilen?
Und so ging es immer weiter mit den Fragen, bis Ruth schließlich seufzte und dachte: Wenn Patrick nur offener wäre und leichter einzuschätzen, zum Beispiel wie John Howard. Aber dann schüttelte sie den Kopf. Wenn Patrick wie John wäre, wür de sie sich niemals so zu ihm hingezogen fühlen und wäre nie so wild darauf gewesen, seine Frau zu werden. Nein, sie liebte Patrick genau so, wie er war.
Doch erwiderte er ihre Gefühle auch?
8. KAPITEL
Obwohl John und Ruth am nächsten Morgen direkt nach dem Frühstück aufbrachen, war es schon spät am Nachmittag, als sie Maracaibo erreichten, und Ruth befürchtete, Puerto Roca nicht mehr bei Tageslicht zu sehen.
Trotz der etwa fünfhundert Kilometer Strecke, die sie an den Großstädten Maracay,
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