Am Tor Zur Hoelle
führen.
Nachdem ich aufgehört hatte, zu Drogen und Alkohol Zuflucht zu nehmen, den offenkundigen Rauschmitteln, gelang es mir, nach und nach zu erkennen, welche sonstigen Rauschmittel mich davon abhielten, die Natur meines Selbst zu betrachten. Und diese Rauschmittel verbannte ich ebenfalls aus meinem Leben. Ich verzichtete auf Coffein, ich verzichtete auf Nikotin, ich verzichtete auf weiÃen Zucker, ich verzichtete auf Fleisch, ich flüchtete nicht mehr von einer Beziehung in die nächste und übernächste. Nachdem ich den Entschluss gefasst hatte, mich selbst zu heilen, kehrte ich mehr und mehr zu mir selbst zurück, auch wenn ich nicht verstand (zumindest intellektuell), was ich da eigentlich genau tat.
1990 war es mir unmöglich geworden, die Wirklichkeit meiner Vietnam-Erfahrung länger zu leugnen. Die Wirklichkeit von Vietnam existierte nicht nur in meinem Kopf â sie durchdrang mein ganzes Wesen. Ich hatte über Vietnam diskutiert, aber die Wirklichkeit dieser Erfahrung hatte ich nie wahrhaft betrachtet. Der Schmerz wurde so groÃ, dass ich nur noch vor ihm flüchten, mich vor ihm verbergen wollte. Mein erster Gedanke war natürlich: Ich brauche was zu trinken, muss mich betrinken. Wenn ich Alkohol trinke, wird der Schmerz wie mit einer Decke zugedeckt. Doch unter der Decke, in mir, ist alles voller Stacheldraht; jedes Mal, wenn ich mich bewege, schneide ich mich, reiÃe ich mir die Haut auf. Wenn ich trinke, habe ich die Illusion, dass ein Puffer zwischen mir und dem Stacheldraht ist, aber das entspricht nicht der Wahrheit â weil ich betäubt bin, bin ich mir der Schnitte und Risse bloà nicht so bewusst.
Diesmal trank ich nicht. Stattdessen landete ich in einem buddhistischen Retreat für Vietnam-Veteranen bei dem Zen-Meister Thich Nhat Hanh.
Kapitel 2
Die Flamme der Kerze
Stellen Sie sich eine brennende Kerze vor. Die Flamme am oberen Ende der Kerze ist hell und heiÃ; sie ist der Teil der Kerze, der Licht in die Finsternis bringt. Dieses Bild hat mich gestärkt, als ich durch die Finsternis meines Lebens wanderte, den unumgänglichen Pfad, um zu erwachen, um eine Kehrtwende zu machen.
Im Jahre 1990 hatte ich sieben Jahre lang ohne Alkohol und Drogen gelebt. Es gab immer weniger Orte, an denen ich mich vor der Wirklichkeit meiner Vietnam-Erfahrungen verbergen konnte. All die Gefühle, die ich bis dahin unterdrückt hatte, kamen nun allmählich an die Oberfläche. Ich konnte ihnen nicht länger Widerstand leisten; ich konnte sie nicht länger von mir schieben.
Zu dieser Zeit lebte ich in Concord, Massachusetts, und erfuhr von einer Sozialarbeiterin, einer wunderbaren, groÃzügigen Frau, Rat und Unterstützung. Als ich an einen Punkt gelangte, an dem ich von meinen Emotionen völlig überwältigt wurde und nur noch sterben wollte, stand sie mir bei und hielt mich in spiritueller Hinsicht. Ich war im Gefängnis meiner selbst gefangen. Ich litt solche Qualen, dass ich den Schutzraum meines Zuhauses weder verlassen konnte noch wollte. Ich fühlte mich wie unter Belagerung, eingebunkert. Ich war in Schuld und Reue, Angst und Beklemmung gefangen. Die Sozialarbeiterin rief mich immer wieder an und bat mich freundlich, aber beharrlich, zu ihr ins Büro zu kommen. Sie lieà den Faden zur Wirklichkeit nicht abreiÃen, der mir bestätigte, dass ich nicht völlig verrückt geworden war, dass ich vielleicht zum ersten Mal im Leben mit den emotionalen Aspekten meiner Kriegserlebnisse in Berührung kam. Irgendwann erzählte sie mir von einem buddhistischen Mönch, Thich Nhat Hanh, der mit Vietnam-Kriegsveteranen gearbeitet und ihnen geholfen hatte, mehr in Frieden mit sich zu sein. Sie schlug vor, ich solle einige seiner Bücher lesen. Später erzählte sie mir dann, dass er Vietnamese sei. Weil ich entschlossen war, meine Heilung anzugehen, erklärte ich mich einverstanden, seine Bücher zu lesen. Doch dann konnte ich es nicht, denn die Bücher waren von einem Vietnamesen verfasst worden: vom Feind. Jedesmal, wenn ich mir vorstellte, darin zu lesen, kamen mir die Mönche in den Sinn, die das Feuer auf uns eröffnet hatten.
Sechs Monate später gab mir eine Frau aus einer Therapiegruppe, an der ich teilnahm, eine Broschüre über eine Einrichtung, die sich Omega Institute nennt. Es liegt in Rhinebeck, New York, und ist eine Organisation, die Menschen die Begegnung mit einer Vielfalt von
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