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Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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schlüssigen Ergebnis kamen sie jedoch nicht.
    Norman Sykes, der Gefängnisdirektor, hatte untersagt, Kamal aus Newgate herauszuschaffen, solange keine eindeutige Diagnose über seinen Zustand vorlag. Daher war Sarah nichts anderes übrig geblieben, als einige Spezialisten von außerhalb zu Rate zu ziehen und sie zu bitten, nach Newgate zu kommen. Neben James Billings, dem Gefängnisarzt, dessen Nase entschieden zu rot war für Sarahs Geschmack und der sich in den Spelunken des Londoner East End wesentlich besser auszukennen schien als in der Anatomie seiner Patienten, waren dies Dr. Raymond Markin, ein ehemaliger Schiffsarzt der Royal Navy und Spezialist für Tropenerkrankungen, sowie Dr. Lionel Teague, ein Arzt aus Mayfair, der ein Freund Sir Jeffreys war und sich aus persönlicher Verbundenheit zu diesem sofort bereit erklärt hatte, zusammen mit Sir Jeffrey die Fahrt nach Newgate anzutreten.
    Der vierte Mediziner im Bunde war Horace Cranston, ein hagerer Mann Anfang vierzig, der einen eleganten Gehrock trug und dessen blondes Haar streng gescheitelt war. Der säuberlich getrimmte Oberlippenbart, der blasse Teint und die filigranen, hochwangigen Züge vervollständigten das Bild des vollendeten Gentleman, hinter dessen grauen Augen Sarah ganz sicher keinen Irrenarzt vermutet hätte. Anders als seine Kollegen hatte sich Cranston nämlich nicht auf die Untersuchung körperlicher, sondern auf jene geistiger Gebrechen verlegt und gehörte zum medizinischen Mitarbeiterstab des Hospitals von St. Mary of Bethlehem, was Sarah ganz und gar nicht gefallen wollte. Dabei hätte sie dem Doktor – der eigentlich aus ganz anderem Grund nach Newgate gekommen war, sich auf Sykes’ Bitte hin aber sofort bereit erklärt hatte, nach Kamal zu sehen – eigentlich dankbar sein sollen …
    »Wie ich schon sagte, Gentlemen«, ergriff Cranston in diesem Moment das Wort, »ich denke nicht, dass wir es hier in erster Linie mit einem physischen Phänomen zu tun haben. Die Ursachen scheinen mir vielmehr im Kopf des Patienten zu liegen.«
    »In seinem Kopf?«, fragte Sarah. »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Nichts weiter. Nur dass der Grund für seinen Zustand in seinem Gehirn zu suchen sein dürfte.«
    »Und? Was wollen Sie tun? Seinen Schädel öffnen?«
    »Das könnte zur Lösung des Rätsels beitragen, in der Tat«, stimmte Cranston zu, der den Sarkasmus in Sarahs Stimme nicht im Geringsten bemerkt zu haben schien.
    »Sie widerwärtiger Quacksalber!«, blaffte Sarah. »Wehe, Sie legen auch nur einen Finger an ihn!«
    »Sarah, bitte«, griff Sir Jeffrey beschwichtigend ein. »Ich bin sicher, Dr. Cranston will nur das Beste für seine Patienten.«
    »Und ich möchte betonen, dass Dr. Cranston nicht nur eine bedeutende Kapazität auf seinem Gebiet ist, sondern das Herz auch am rechten Fleck hat. Bei Bedarf nimmt er medizinische Beurteilungen in Newgate einsitzender Gefangener vor, sorgt gegebenenfalls für ihre Überstellung nach Bedlam und verhindert auf diese Weise ihre Hinrichtung. Auch heute war er aus diesem Grund gekommen.«
    »Schön und gut, Direktor«, meinte Cranston sichtlich verlegen, »aber das gehört wohl kaum hierher.«
    »Vielleicht nicht«, gab Sykes zu. »Ich möchte nur sichergehen, dass Lady Kincaid Sie im rechten Licht sieht.«
    »I-ich habe möglicherweise vorschnell geurteilt«, räumte Sarah ein, »und wenn ich Sie gekränkt haben sollte, so bitte ich um Verzeihung. Es ist nur … Sie debattieren nun seit vielen Stunden, meine Herren, jedoch ohne greifbares Ergebnis.«
    »Das stimmt nicht ganz«, wandte Dr. Teague ein, ein untersetzter, ältlich wirkender Mann in Sir Jeffreys Alter. »Immerhin konnten wir zweifelsfrei feststellen, dass der gegenwärtige Zustand des Patienten nicht auf äußere Gewalteinwirkung zurückzuführen ist. Weder meine Kollegen noch ich selbst konnten bei der Untersuchung einen Hinweis entdecken, der in diese Richtung deutet.«
    »Vielmehr«, fuhr Dr. Markin fort, dessen militärische Vergangenheit in seiner aufrechten Körperhaltung und seinem schneidigen Tonfall deutliche Spuren hinterlassen hatte, »scheint jener komatöse Zustand die Folge des hohen Fiebers zu sein, das den Patienten befallen hat, dessen Ursache wir bislang allerdings nicht feststellen konnten.«
    »Ich dachte, Sie wären Spezialist für exotische Erkrankungen?«, wandte Sir Jeffrey ein.
    »Das bin ich wohl – schließlich habe ich zwei nicht unbedeutende Arbeiten zum Thema verfasst. Ein Fall wie dieser ist mir

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