Amber Rain
Gewaltanwe n dung gefunden worden. Hautabschürfungen, Hämatome. A b schürfungen von Haut an ihrer Vagina fordern sogar die Ve r mutung heraus, dass Miss Nicholas vergewaltigt wurde, auch wenn sie selbst das bestreitet.“
Um Himmels Willen. Mir wird abwechselnd heiß und kalt, und die professionelle Miene, zu der ich mich zwinge, wird immer schwerer zu halten. Das kann nicht passieren. Das darf nicht passieren. Das ist ein Albtraum. Den ich mir selbst z u schreiben darf.
„Haben Sie das näher untersuchen lassen?“
„Das Team steht bereit, diese Untersuchungen durchzufü h ren, sobald Ihr Treffen mit Miss Nicholas abgeschlossen ist.“
Ich will nicht, dass Amber sich dieser erniedrigenden Unte r suchung unterwerfen muss. Es ist noch ein Grund mehr, das hier hinauszuzögern. Aber warum? Officer Redding tritt plöt z lich ganz nah an mich heran. „Dr. Holloway“, sagt sie, und es ist die Stimme einer Frau, die einem Mann die Schlinge um den Hals zuzieht. „Sie wissen nicht zufällig etwas darüber, woher Miss Nicholas diese Hautverletzungen hat, oder?“
Ich bin müde. Ich begreife nicht, wie meine Welt, die an di e sem Morgen noch Perfektion war, so plötzlich aus den Angeln gerissen werden konnte. Ich habe keine Kraft mehr. „Wenn Sie mir etwas anhängen wollen, Officer Redding, dann sagen Sie mir bitte rechtzeitig Bescheid, damit ich meinen Anwalt ei n schalten kann. Mir liegt jedenfalls das Wohlergehen von Miss Nicholas am Herzen. Ich möchte ungern darüber spekulieren, was Ihre Prioritäten sind, Officer.“ Ich lasse sie stehen und g e he zur Tür. Ich wende mich nicht noch einmal zu Amber um. Ich weiß, dass sie nicht einmal den Kopf gehoben hat. Dass sie auf ihre Hände starrt. Dass ihre Seele nicht in diesem Raum ist. Und dass sie nicht will, dass ich es bin, der ihre Seele findet.
Amber
Tür auf. Tür zu. Ständig kommt jemand in mein Zimmer und will etwas von mir. Blutdruckmessen. Pillen bringen. Blut a b nehmen. Die ersten Male bin ich bei jedem Klappen der Tür zusammengezuckt, aus Angst, er könnte zurückkommen. Er. Crispin. Oder nein. Nicht Crispin. Richard. Dr. Richard Ho l loway, der Psychiater, für den ich ein Experiment war. Ein ve r fluchtes Experiment. Nicht einmal der Name, den er mich hat schreien lassen, in den Momenten größter Ekstase , entspricht der Wahrheit. Eine Lüge. Alles war eine verdammte Lüge und ich komme mir so blöd vor, so unendlich blöd.
Wieder geht die Tür. Ich sehe nicht einmal auf von der dü n nen Decke, die über meinen Beinen liegt. Ich trage nur ein leichtes Baumwollnachthemd mit offenem Rücken. Damit meine Haut nicht so gereizt wird. Es ist fast komisch. Sie h a ben mir eine Salbe gegeben, damit sich die Hämatome schne l ler zurückbilden und mir nicht länger als nötig Beschwerden bereiten. Lachhaft. Die blauen Flecken tun nicht weh. Ich sp ü re sie gar nicht, zu allumfassend ist die Agonie in meinem He r zen.
„Amber, Süße, was machst du denn?“ Nun schaue ich doch in Richtung Tür. Es ist Charly. Natürlich ist es Charly. Wann immer ich mal wieder auf die Trümmer meiner Existenz schauen muss, ist Charly an meiner Seite. Meine Augen bre n nen. Ich blinzle die Tränen weg und im nächsten Augenblick bin ich in Charlys Armen. Sie nimmt keine Rücksicht auf die blauen Flecken oder die roten Striemen auf meiner Haut. Sie nimmt mich fest in die Arme und drückt mich an sich. „Alles wird gut, Süße. Ich bin ja jetzt da. Ich pass auf dich auf. Wir schaffen das zusammen.“ Sie drückt mich ein wenig von sich und schaut mir in die Augen. „Hey, wir haben die zwei Jahre mit den BJs als Hauseltern überstanden, wir lassen uns doch nicht von einem kleinen Panikanfall aus dem Tritt bringen, o der?“
Ich sehe in ihre Augen. Die so voll Wärme sind und Sorge, und durch meinen Tränenschleier wage ich ein Lächeln. Die BJ’s. Mr. und Mrs. Bowen-Jones waren die Hauseltern in dem Internat unserer Schule, während wir in der Oberstufe waren. Während wir nur Jungs im Kopf hatten und die Möglichkeit, heimlich am Wochenende in die Stadt zu gehen, haben uns die BJ’s mit unsinnigen Regeln malträtiert und der Erinnerung, dass wir immer noch Kinder seien. Charly wischt mir eine Tr ä ne aus dem Augenwinkel und steht auf. Von einem Tisch in der der Ecke des Zimmers zieht sie sich einen Stuhl an mein Bett. „Also, was geht ab? Du weißt, dass du nicht weiter schweigen darfst, nicht wahr, Süße? Sie reden irgendeinen Schwachsinn von
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