Amber Rain
zittern beginnt, und ich will nur noch hier raus und allein sein. Allein mit dem Schmerz über den Verlust. Vie l leicht sollte ich froh sein darüber, dass sie alles herausgefunden hat, bevor es zu spät war, bevor sie diesen Schritt gewagt hatte.
„Ich nehme es“, sage ich und zücke meine Brieftasche.
Die Augen der Verkäuferin werden groß. „Oh“, schafft sie nur. Vermutlich bekommt sie einen Bonus, der sich an der Höhe des Tagesumsatzes orientiert.
Ich lächele sie freundlich an. „Sie liegt in der Klinik. Sie wird sich sicher freuen, wenn ich es ihr schenke. Weil sie es sich doch gewünscht hat.“
„Ja, ich glaube, sie hat ziemlich lange überlegt, weil es ja nicht ganz billig ist. Und sie machte den Eindruck, als ob sie nicht sicher war, dass sie es sich leisten kann.“
Halsbänder, die Doms ihren Subs als Zeichen des Besitzes anlegen, kosten normalerweise das Zehnfache. Aber Miss G e schäftstüchtig kann das nicht wissen. Ich reiche ihr meine Kr e ditkarte. „Für meine Amber ist nichts zu teuer“, sage ich.
Sie zieht die Karte durch das Lesegerät, ich tippe die G e heimzahl ein. „Soll ich es einpacken?“
„Nein, das ist nicht nötig.“
„Eine Tüte?“
Ich klopfe auf meine Jackentasche. „Das geht ohne.“
„Wissen Sie“, sie lehnt sich ein wenig nach vorn und schaut dabei über ihre Schulter auf die angelehnte Tür zur Werkstatt. „Kurz vor ihrem Zusammenbruch. Sie hat nach hinten g e schaut. Die Tür war ziemlich weit offen. Und der Bunsenbre n ner von meinem Kollegen ist ziemlich hoch aufgeflackert im selben Augenblick. Das passiert manchmal, je nachdem, we l ches Material verarbeitet wird. Ich glaube, die Flamme hat sie ganz schön erschreckt.“ Sie richtet sich wieder auf und beginnt, mit einem Poliertuch über die Glasplatte des Tresens zu w i schen. „Ich dachte nur, dass das vielleicht wichtig sein könnte.“
„Haben Sie das auch der Polizei gesagt?“
„Nein. Ich fand es gestern nicht so wichtig. Weil, naja, hier bei uns, wir kennen das ja und es fällt uns gar nicht auf, wenn das passiert. Es gehört zum Arbeitsprozess. Verstehen Sie e t was vom Goldschmieden?“
Ich schüttele lächelnd den Kopf. Ich praktiziere andere Kunst. „Danke“, sage ich, und „Auf Wiedersehen, Miss, ich bin sicher, dass Amber sich über das Geschenk freuen wird.“
Amber
„Alles fertig?“
Meine Tasche steht gepackt vor dem Bett. Charly hat die Hände in die Hüften gestemmt und sieht mich fragend an. Ich nicke und greife nach den Trägern der Dufflebag.
„Alles fertig.“ Ein Taxi ist bestellt, das uns von dem Kra n kenhaus zu meiner Wohnung in Shepherds Bush bringt. Ich hatte gesagt, dass wir auch die U-Bahn nehmen können, aber Charly meinte, dass ich es langsam angehen soll. Drei Tage sind vergangen seit meinem Zusammenbruch in dem Schmuckgeschäft. Drei Tage, in denen in mich standhaft g e weigert habe, mich einer ausgiebigen Begutachtung zu unte r ziehen. Dr. Green, ein Herz von einem Mann, hat sich mehrere Male mit mir unterhalten und kam zu dem Schluss, dass ich keine Suizidabsicht habe. Mehr will ich nicht. Ich will nicht h ö ren, warum es mir so viel Probleme bereitet, an öffentliche O r te zu gehen, ich will nicht, dass jemand in meiner Vergange n heit gräbt und alte Dämonen weckt. Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun. Und außerdem, ich habe genug mit der Gegenwart zu tun, um zurückzuschauen.
Das Taxi bringt uns in zwanzig Minuten zu meiner Wo h nung. Ich schließe die Tür auf und wundere mich über den fr i schen Duft, der mir entgegenschlägt. Ich hatte erwartet, dass es muffig hier riechen würde, nach Staub und Vernachlässigung. Stattdessen liegt der Duft von Frühlingsblumen in der Luft und eine Note von Bohnerwachs und Scheuermilch. Verdutzt sehe ich Charly an. Sie zwinkert mir zu und schiebt mich sanft in die Küche. „Ein kleines Willkommensgeschenk. Du hast die Bude hier ja auch schon vor dem Krankenhaus ziemlich ve r nachlässigt.“
Ich lasse mich von ihr weiterziehen, stelle meine Tasche n e ben dem Küchentresen ab und sehe mich um. Sie hat ganze Arbeit geleistet. Alles ist poliert und gewienert, auf dem Tisch vor dem Sofa steht ein gigantischer Strauß Frühlingsblumen. Gräser, Kamillen, Pfingstrosen und blaue Nelken sind zu e i nem wilden, fröhlichen Durcheinander gebunden.
„Charly, das wär doch nicht nötig gewesen. Es reicht schon, dass du für ein paar Tage bei mir bleiben willst. Du musst nicht auch
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