Amber-Zyklus 07 - Das Blut von Amber: der Titel
Architekturstile, sogar noch größer als der Palast von Amber und finster wie die Hölle. Außerdem stand es offensichtlich unter feindlicher Belagerung.
In der Ebene vor den Mauern lagerte eine beträchtliche Anzahl von Truppen, die meisten davon in einem fernen, nicht versengten Gebiet von weniger ungewöhnlicher Beschaffenheit und mit etwas Vegetation, auch wenn das Gras niedergetreten und viele Bäume zerschmettert waren. Die Belagerer waren mit Sturmleitern und einem Rammbolzen ausgerüstet, doch zur Zeit ruhte der Rammbolzen, und die Leitern lagen am Boden. Was wie ein ganzes Dorf von Nebengebäuden aussah, schwelte dunkel am Fuß der Mauer. Viele hingestreckte Gestalten, so vermutete ich, waren die Opfer.
Als ich den Blick weiter nach rechts wandte, blieb er hinter der großen Zitadelle an einem Gebilde von strahlendem Weiß haften. Es sah aus wie die vorspringende Kante eines massigen Gletschers, und ein Gestöber aus Schnee oder Eiskristallen peitschte darum herum, ähnlich wie der Meeresnebel weit entfernt zu meiner Linken.
Der Wind war anscheinend ein allgegenwärtiger Reisender durch dieses Gebiet. Ich hörte, wie er hoch über mir heulte. Als ich schließlich ins Freie trat und nach oben blickte, stellte ich fest, daß ich mich lediglich auf halber Höhe eines steinigen Hügels befand -oder eines flachen Gebirges, je nachdem, wie man solche Dinge einschätzt -, und das Heulen des Windes drang von den zerklüfteten Gipfeln noch lauter herunter. Außerdem hörte ich einen dumpfen Knall hinter mir, und als ich mich umdrehte, konnte ich den Eingang der Höhle nicht mehr ausmachen. Meine Reise auf der Strecke von der lodernden Tür her war beendet, sobald ich die Höhle verließ, und ihr Bann hatte offensichtlich sofort zugeschlagen und den Weg verschlossen. Ich nahm an, daß ich die Umrisse von der steilen Wand aus erkennen könnte, wenn mir daran gelegen wäre, doch im Augenblick hatte ich kein Verlangen danach. Ich errichtete einen kleinen Stapel aus Steinen davor, und dann blickte ich mich erneut um, indem ich mich mit den Einzelheiten beschäftigte.
Ein schmaler Pfad bog zu meiner Rechten ab und führte zwischen einigen aufrechtstehenden Felsen zurück. Ich machte mich in diese Richtung auf den Weg. Ich roch Rauch. Ob er von dem Schlachtfeld oder aus dem vulkanischen Gebiet unter mir kam, vermochte ich nicht zu sagen. Der Himmel über mir setzte sich aus Wolkenflicken und Licht zusammen. Als ich zwischen zweien dieser Felsbrocken stehenblieb, um noch einmal die Gegend unter mir zu betrachten, sah ich, daß sich die Angreifer zu neuen Gruppen formiert hatten und daß Leitern zu den Mauern getragen wurden. Außerdem sah ich etwas, das mir wie ein Wirbelsturm vorkam, der sich auf der gegenüberliegenden Seite der Zitadelle erhob und eine langsame, gegen den Uhrzeigersinn gerichtete Bewegung um die Mauern herum begann. Wenn er sich auf dieser Strecke weiterbewegte, würde er irgendwann die Angreifer erreichen. Ein sauberer Trick. Zum Glück war das deren Problem und nicht meins.
Ich kletterte wieder den steinigen Abhang hinunter und ließ mich auf einer der unteren Felskanten nieder. Ich begann mit der mühseligen Arbeit der Gestaltsumwandlung, für die ich etwa eine halbe Stunde brauchte. Die Verwandlung von etwas dem Namen nach Menschlichem in etwas Seltenes und Fremdartiges - das vielleicht für einige unheimlich, für andere beängstigend war - und dann wieder zurück ist eine Vorstellung, die so mancher als widerwärtig empfinden mag. Doch keiner sollte darüber die Nase rümpfen. Tun wir dasselbe nicht alle jeden Tag auf viele verschiedene Arten?
Als die Umwandlung beendet war, legte ich mich zurück, atmete tief und lauschte auf den Wind. Ich war gegen seine Kraft durch die Steine geschützt, und nur sein Lied drang an mein Ohr. Ich spürte die Erschütterungen ferner Erdbeben und beschloß, sie als sanfte Massage hinzunehmen, die mich besänftigte... Meine Kleidung war zerfetzt, doch im Augenblick war ich zu müde, um mir eine neue Ausstattung herbeizurufen. Der Schmerz war anscheinend aus meiner Schulter gewichen, und in meinem Bein war nur noch ein ganz leichtes Kribbeln, immer schwächer... Ich schloß für eine Weile die Augen.
Also gut, ich hatte den Durchbruch geschafft, und ich hatte ein deutliches Gefühl, daß die Antwort hinsichtlich Julias Mörder in der belagerten Zitadelle unter mir zu finden war. Im Hinterkopf sagte ich mir, daß es im Augenblick keinen leichten Zugang zu jenem
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