Amber-Zyklus 07 - Das Blut von Amber: der Titel
die Hand auf die Schulter.
»Du wolltest ihm nicht einmal soviel Schaden zufügen«, sagte er. »Das weiß ich.«
Ich nickte und biß mir auf die Lippe. Despil hatte jedoch recht gehabt, was Lady Dara anging, unsere Mutter. Jurt war ihr Liebling, und irgendwie hatte er ihr weisgemacht, das Ganze sei meine Schuld gewesen. Manchmal hatte ich das Gefühl, daß sie die beiden Söhne, die sie von Sawall hatte, mehr als mich mochte; sie hatte den alten Rand-Herzog geheiratet, nachdem sie sich von meinem Vater abgewandt hatte. Ich hatte einmal ein Gespräch belauscht, in dem es hieß, ich erinnere sie an meinen Vater, und man sagte mir nach, daß ich ihm außergewöhnlich stark ähnelte. Ich machte mir wieder einmal Gedanken über Amber und die anderen Orte, draußen im Schatten, und ich spürte das übliche Angstkribbeln, als mir das den sich windenden Logrus ins Gedächtnis rief, der meine Fahrkarte in andere Gefilde darstellte. Ich wußte, daß ich es früher ausprobieren würde, als ich ursprünglich beabsichtigt hatte.
»Laß uns Suhuy aufsuchen«, schlug ich Mandor vor, während wir gemeinsam aus der Leere aufstiegen. »Ich möchte ihn noch einiges fragen.«
Als ich schließlich aufs College kam, verbrachte ich nicht viel Zeit damit, nach Hause zu schreiben.
»...nach Hause«, sagte Vinta gerade. »Sehr bald. Trink etwas Wasser.« Dabei reichte sie mir eine Karaffe.
Ich nahm mehrere ausgiebige Schlucke und gab sie ihr zurück. »Danke.«
Ich streckte die verkrampften Muskeln und atmete die kühle Seeluft ein. Ich hielt Ausschau nach dem Mond und entdeckte ihn weit hinter meinen Schultern.
»Du warst wirklich weggetreten«, sagte sie.
»Rede ich im Schlaf?«
»Nein.«
»Gut.«
»Schlecht geträumt?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Könnte schlimmer sein.«
»Vielleicht hast du einen kleinen Laut von dir gegeben, kurz bevor ich dich weckte.«
»Oh.«
Weit vor uns sah ich ein kleines Licht an der Spitze eines dunklen Vorsprungs. Sie deutete dorthin.
»Wenn wir an diesem Punkt vorbei sind«, sagte sie, »sehen wir den Hafen von Baylesport. Dort bekommen wir ein Frühstück und Pferde.«
»Wie weit ist es dann noch bis nach Arborhaus?«
»Etwa drei Meilen«, antwortete sie. »Ein leichter Ritt.«
Sie blieb noch eine Weile schweigend bei mir, und wir betrachteten die Küste und das Meer. Es war das erste Mal, daß wir einfach so zusammensaßen, ohne daß meine Hände oder meine Gedanken sich mit irgend etwas beschäftigten. Und mein Magiersinn wurde in dieser Pause angeregt. Ich spürte die Anwesenheit von Magie. Es war kein schlichter Zauberbann oder die Aura irgendeines verzauberten Gegenstandes, den sie bei sich trug, sondern etwas sehr Feingesponnenes. Ich sammelte meine Vision und richtete sie auf sie. Etwas sprang mir sofort ins Auge, doch ich hielt es für weise, weiter zu suchen. Ich dehnte meine Erkundigung durch den Logrus aus...
»Bitte, laß das!« sagte sie.
Ich hatte soeben einen Fauxpas begangen. Es wird im allgemeinen als ungehörig empfunden, sich auf diese Weise an einen praktizierenden Kollegen heranzutasten.
»Es tut mir leid«, sagte ich. »Ich wußte nicht, daß du Studentin dieser Kunst bist.«
»Das bin ich nicht«, widersprach sie, »aber ich habe ein ausgeprägtes Gefühl für ihre Wirkung.«
»In diesem Fall hast du wahrscheinlich eine besondere Begabung dafür.«
»Meine Interessen liegen auf einem anderen Gebiet«, sagte sie.
»Ich dachte, daß dir vielleicht jemand einen Zauber auferlegt haben könnte«, erklärte ich. »Ich habe lediglich versucht...«
»Was immer du gesehen haben magst«, sagte sie, »geht dich nichts an. Laß es auf sich beruhen.«
»Wie du meinst. Verzeihung.«
Sie wußte indessen mit Sicherheit, daß ich es nicht dabei bewenden ließ, wenn eine unbekannte Magie möglicherweise Gefahr bedeutete. Also fuhr sie fort: »Es kann dir in keiner Weise schaden, soviel kann ich dir versichern. Ganz im Gegenteil.«
Ich wartete, doch sie äußerte sich nicht weiter zu dem Thema. Also hakte ich auch nicht weiter nach, jedenfalls für den Augenblick. Ich wandte den Blick wieder dem Leuchtturm zu. Worauf ließ ich mich mit ihr eigentlich ein? Wieso hatte sie überhaupt gewußt, daß ich wieder in der Stadt war, und erst recht von meinem Besuch in der Totengasse? Sie mußte damit gerechnet haben, daß ich mir diese Frage stellen würde, und wenn unser Umgang von beiderseitigem Vertrauen geprägt sein sollte, dann sollte sie zu einer Erklärung bereit
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