Amber-Zyklus 07 - Das Blut von Amber: der Titel
gab mir einen Klaps auf die Schulter. »Besuch mich doch mal, wenn ich in Amber bin«, forderte sie mich auf, »und frisch meine Erinnerung auf.«
Ich packte zwei Satteltaschen, einen Beutel mit Futter für Rauch und nahm ein langes Anpflockseil mit. Ich führte das Her hinaus, während Vinta zum Haus zurückkehrte. Dann stieg ich auf und ritt langsam hinter ihr her, wobei ein paar Hunde um mich herum Kapriolen vollführten. Ich umrundete das Herrschaftshaus, indem ich den längeren Weg wählte, straffte die Zügel und stieg in der Nähe der Küche ab. Ich betrachtete die Veranda und wünschte mir, ich besäße eine ebensolche, wo ich einfach dasitzen und meinen Morgenkaffee trinken könnte. Oder lag es an der erfreulichen Gesellschaft, die ich hier genossen hatte, daß mir diese Vorstellung so angenehm war?
Nach einiger Zeit öffnete sich die Tür, und Vinta trat heraus und reichte mir ein Bündel und eine Flasche. Während ich beides sicher verstaute, sagte sie: »Richte meinem Vater bitte aus, daß ich in einigen Tagen zurück sein werde, ja? Sag ihm, daß ich mich ins Landhaus zurückgezogen habe, weil ich mich nicht so wohl fühlte, daß es mir jetzt aber wieder gutgeht.«
»Es freut mich, das zu hören«, sagte ich.
»Ich weiß nicht, warum du eigentlich hier warst«, sagte sie. »Aber wenn es dabei um Politik oder Intrigen geht, will ich es auch gar nicht wissen.«
»Gut«, sagte ich.
»Wenn einer der Diener einem großen rothaarigen Mann, der ziemlich schwer verwundet schien, eine Mahlzeit serviert hat, dann sollte man das besser vergessen, nehme ich an.«
»Würde ich sagen.«
»So sei es denn. Aber eines Tages will ich die Geschichte hören.«
»Ich auch«, sagte ich. »Sehen wir mal, was sich tun läßt.«
»Also dann, gute Reise.«
»Danke, ich werde es versuchen.«
Ich drückte ihr die Hand, wandte mich ab und setzte den Fuß in den Steigbügel.
»Bis bald.«
»Wir sehen uns in Amber«, sagte sie.
Ich schwang mich erneut auf mein Reittier und setzte die Umrundung des Hauses fort, bis ich wieder auf der Rückseite, in der Nähe der Stallungen angekommen war. Ich ritt an ihnen vorbei zu einem Pfad, auf dem wir miteinander geritten waren und der in die von mir gewünschte Richtung führte. Hinter mir, am Haus, begann ein Hund zu heulen, und ein zweiter fiel kurz darauf mit ein. Es wehte ein leichter Wind aus Süden, und er trug einige Blätter an mir vorbei. Ich wollte endlich unterwegs sein, weit weg von allem und mit mir allein. Ich schätze die Einsamkeit, denn sie fördert meine besten Gedanken, und gerade jetzt gab es vieles, worüber ich nachdenken mußte.
Ich ritt nach Nordwesten. Nach etwa zehn Minuten gelangte ich zu einer unbefestigten Straße, die wir ein paar Tage zuvor überquert hatten. Diesmal folgte ich ihr in westlicher Richtung, und schließlich führte sie mich zu der Kreuzung, wo ein Wegweiser zeigte, daß Amber geradeaus lag. Ich ritt weiter.
Es war eine gelbe Lehmstraße, auf der ich mich bewegte, mit den Spuren vieler Wagenräder. Sie folgte den Gegebenheiten des Landes und verlief zwischen fahlen braunen, von flachen Steineingrenzungen gesäumten Feldern und einigen Bäumen zu beiden Seiten. Ich sah die dunklen Umrisse eines Gebirges weit vor mir, das über das Waldgebiet hinausragte, auf das ich in Kürze treffen würde. Ich hielt mein Pferd zu einer gemäßigten Gangart an und ließ meine Gedanken über die Ereignisse der vergangenen Tage schweifen.
Daß ich einen Feind hatte, stand zweifelsfrei fest. Luke hatte mir versichert, daß er es nicht mehr sei, und ich hatte mich von ihm überzeugen lassen. Er hätte nicht zu mir zu kommen brauchen, um seine Wunden verbinden zu lassen, wie sowohl er als auch Vinta zu bedenken gegeben hatten. Und er hätte auch allein den Weg in die Kristallhöhle oder zu einem anderen Zufluchtsort gefunden. Und die Angelegenheit bezüglich meiner Hilfe bei der Rettung Jasras hätte warten können. Ich neigte stark zu der Ansicht, daß er versuchte, möglichst schnell wieder ein besseres Verhältnis zu mir zu schaffen, weil ich für ihn den einzigen Kontakt zum Hof von Amber darstellte und sich seine Geschicke zum Schlechten gewendet hatten. Ich hatte das Gefühl, daß er in Wirklichkeit eine offizielle Bestimmung seines Status in bezug auf Amber wollte und daß er jene wichtige Information sowohl als Zeichen des guten Willens als auch als Tauschobjekt angeboten hatte. Ich war keineswegs sicher, daß ich persönlich eine so bedeutende
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