Ambient 02 - Heidern
gesehn. Ich bezweifle, daß 's Aufsichtskomitee der Kultusbehörde sich dran stört, wenn ich ihr die Sorge um 'n paar Schüler abnehme.«
»Gestern haben Sie erwähnt, Ihr Vater sei Priester gewesen«, sagte Susie. Wie sie dort saß, die Augen hinter den Spiegelgläsern der Sonnenbrille verborgen, schien ihr nur noch ein Behältnis mit Bleistiften zu fehlen. »Zu welchem Bekenntnis stand er? Etwas Anerkanntem? War er Fundamentalist? Rassenapostel? Hatte er Interesse an Politik? Wieviel Erfahrung hat Ihre Familie auf dieser Ebene?«
»Hat er, wie üblich, alte Dämchen ausgenommen?« stellte Bernard einige Zusatzfragen. »Sind unschuldige Seelen von ihm bedrängt worden? War er dazu imstande, seiner Gemeinde einzubleuen, die Hölle sei schlimmer als ihr normaler Alltag?«
»Mein Vater ist episkopalkirchlicher Geistlicher gewesen.« Macaffreys Gesicht blieb, während er Antworten gab, so unbewegt wie eine Fratze an einem Totempfahl, seine Miene verhehlte alles, gab nichts preis. »Er hat Gott an den unwahrscheinlichsten Stätten entdeckt. Mit seinem Leben war er zufrieden, glaub ich. Im Herbst segnete er immer, bevor die Jagdsaison anfing, die Jagdhunde.«
Bernard zwinkerte ihm zu. »Und wer hat den Fuchs gesegnet?«
»Ist das hier 'ne Ahnenforschungsgesellschaft?« fragte Macaffrey. »Ich kapier nicht, was meine Familie damit zu tun haben soll, was Sie …«
»Wir informieren uns über Ihre Laufbahn«, sagte Thatcher. »Einfach aus Vorsicht. Wir suchen hinter der Maske die Person. Man verliert allzu leicht, wenn man nicht umsichtig ist, den Faktor Mensch aus dem Augenmerk.«
»Der Himmel verhüt's«, meinte Bernard. »Gehen Sie häufig in die Kirche, Lester? Hat heutzutage wenig Sinn, oder?«
»Ich bin kein Vereinsmeier.«
»Wem in unserer Dienstleistungswirtschaft dienen Sie?« fragte Bernard. »Gott?«
»Nicht weniger als jedem anderen.«
Innerhalb gewisser Grenzen fand Bernard an Herausforderungen sein Vergnügen; nun reagierte er mit einem Frontalangriff. »Ich wünschte, meine Lehrer wären so kreativ wie Sie gewesen. Sie verfügen wirklich über enormen Einfallsreichtum. Weit über der Norm, das dürfen Sie mir glauben. Es ist knifflig, nehme ich an, einen schöpferischen Akt zu beschreiben, ohne irgendwie Gott zu bemühen, das ist jemandem wie Ihnen bestimmt auch klar, aber mir sind so vage Aussagen zuwider. Mir ist gesagt worden, Ihre Gedanken kämen Ihnen einfach so. Wie denn? In Träumen? Per Flaschenpost? Haben Sie eine Faxverbindung zum Himmelreich? Halten Sie Ihre Wahrheit tatsächlich für wahr?«
»Vertreten hab ich sie lang genug, daß man's meinen sollt.« Bernard hielt sein Netz bereit, doch der Schmetterling mochte sich nicht niederlassen. Weil er auf vertrautere Erfahrungen mit Thatchers Art von Logik zurückblickte, überlegte Bernard sich ein anderes Vorgehen und bereitete das Tötungsglas vor.
»Sie sind tüchtig beim Beschaffen, haben wir mitgekriegt«, sagte er. »Wie machen Sie das? Schauen Sie an den Himmel, bis Sie erkennen, was als nächstes von oben herabfällt? Schießen unter Ihren Füßen Füllhörner aus dem Boden empor? Woher kommt das Zeug, mit dem Sie die Leute beschenken?«
»Beziehungen hat jeder«, entgegnete Macaffrey. »Daran ist doch nichts geheimnisvoll.«
»Fürs Fernsehen sind Tricks ganz gut, aber wir haben hier keine Kameras.« Mir hatte Thatcher einmal gesagt, es gäbe zwölf Kameras in diesem Raum. »Einige Anwesende haben Ihrem gestrigen Lazarusakt Spitzenkritiken zugestanden. Können Sie Tote auferwecken?«
»Und wenn, was sind sie dann?« Bernard spitzte die Lippen und besah sich seinen Computerausdruck.
»Vielleicht betrachten Sie das alles nicht ganz richtig«, sagte Thatcher, ließ absichtlich unklar, wen er meinte. »Mr. Macaffrey, würfe Gus Sie aus 'm Fenster, stürzten Sie hinab?«
»Täten Sie so was trotz der Ungewißheit riskieren?«
»Es wäre, falls Sie stürzten, nicht so, als hätte ich 'ne aussichtslose Investition verschleudert. Aber wissen Sie, im Geschäftsleben gewöhnt man sich ans Riskante wie ans Atmen. Mir kommt's so vor, als fielen hier Andeutungen über mächtig dicke Klöpse, und ich würde durchaus ganz gerne mal etwas Beeindruckenderes als bloß Ihre Nase sehen. Ich möchte klären, ob Sie all das sind, als was Sie sich ausgeben.«
»Ich bin nichts«, sagte Macaffrey. »Ich bin auf Ihren Wunsch hier. Wenn Sie sich dessen, was Sie sehn, so sicher sind, warum sollt ich Ihnen 'ne Brille aufsetzen?«
»Gus«, ordnete
Weitere Kostenlose Bücher