Ambient 02 - Heidern
Paradoxon zu sehen. »Aber jetzt ist der Punkt erreicht, an dem man die Erwartungen nicht noch viel weiter sinken lassen darf …«
»Wie könnten sie noch geringer sein?« fragte Bernard.
»Die Zeit ist da, um ein wenig Hoffnung zu spenden. Wir müssen den Menschen zur Inspiration verhelfen. Ihnen zeigen, daß es sich lohnt, morgens aufzustehen. Das wiederum wird uns nützlich sein, sobald's darauf ankommt, die Situation unter Kontrolle zu halten. Das wichtigste, was wir nicht vergessen dürfen, ist die Tatsache, daß uns das, was wir tun, unmöglich wäre ohne die Leute.«
»Sie wollen, daß ich das Opiat unters Volk bringe«, sagte Macaffrey.
»Ich hoffe, Sie machen keine Andeutungen, die sich auf haltlose Verdächtigungen beziehen«, erwiderte Thatcher, und nach Willen sättigte ein Jahrhundert des Kummers seine Stimme. »Ungerechte, unbegründete Lügen werden's wohl sein, die Sie aufgeschnappt haben. Mir wird ganz flau, wenn ich daran denke, daß dieser Unfug noch immer geglaubt wird.« Er regte sich ab, als tröstete ihn Wahrheit. »Heute kommen nicht einmal noch zehn Prozent unseres Geldes aus Drogen, und wir sind mittendrin, auch diesen geringen Restteil abzubauen. Wir haben das Geschäft auf eine ganze Anzahl verschiedener Bereiche verteilt.«
»In verschiedenerlei Gegenden.«
»Heutzutage ist es leicht, in globalem Maßstab tätig zu sein«, sagte Thatcher. »Die Grenze liegt dort, wie weit man sehen kann. Denken Sie mal darüber nach, mein Sohn. Malen Sie sich Hunderte Millionen von Menschen aus, von denen jeder einzelne Ihnen zuhört. Sie können verstörten Seelen Frieden schenken. Helfen Sie zerstrittenen Gruppen beim Beilegen ihrer Zwistigkeiten. Lösen Sie heute die Probleme von morgen. Wir stellen eine Kamera vor Sie, schalten 'n paar Satelliten zu, und Sie haben alle in der Tasche …«
»Thatcher«, unterbrach ihn Bernard, »übertreiben Sie nicht …«
»Denken Sie sich bloß mal, wie's heute stehen könnte, hätte man das Fernsehen zwanzig Jahre früher erfunden.«
»Das Fernsehen hat eine große Macht des Verwirrens und Ablenkens«, sagte Macaffrey. »Es zehrt die Seele aus. Ich habe keine Lust zu widernatürlichem Geschlechtsverkehr.«
»Die meisten Menschen würden ihre Großmutter zerstückeln und auffressen, um im Fernsehen auftreten zu dürfen«, entgegnete Thatcher. »Dafür wären sie sogar zu Schlimmerem fähig. Sie fangen bei uns mit sechs Mille pro Jahr an, und wir warten mal ab, wie's läuft. Dann brauchen Sie kein Gesülze mehr vor krummbuckligen Bälgern aus Farmingdale abzusondern, das ist Ihnen sicher klar.« Bernard und Susie wirkten nicht weniger betroffen, als ich ausgesehen haben mußte; ich verdiente zwei Tausender im Jahr, Bernard nicht allzu viel mehr. »Bei adäquaten Ergebnissen erfolgen angemessene Höherstufungen. Wie's recht und billig ist. Eine Hand wäscht die andere, und jeder hat davon was.«
»Sie wollen, daß ich die Leute dazu bringe, dem Kaiser zu geben, was der Kaiser längst hat«, erwiderte Macaffrey. »Das hat doch wirklich wenig Sinn, Mr. Dryden. Ich bin sicher, Sie kommen gut ohne mich aus.« Macaffrey wandte sich ab, strebte zur Tür und ging.
»Was soll denn das?« fragte Thatcher, während er ihm nachschaute.
»Ich glaube«, sagte Bernard, »das heißt nein.«
Susie lachte, lief aus Erheiterung dermaßen rot an, daß ich befürchtete, sie könnte sich vor Vergnügen totlachen. »Diesmal hast du aber 'n Schlaueren gefunden«, sagte sie zu Thatcher.
»Er hält sich bloß dafür«, antwortete er. Nach dem Scheitern seines Verführungsversuchs begann er nun in seiner Phantasie mit Gedanken an Vergewaltigung zu spielen.
»Offenbar will er nicht angeworben werden«, sagte ich. »Laß ihn einfach in Ruhe. Engagiere für deine Pläne einen Schauspieler. Hast du nicht einmal erwähnt, wie gut das sich schon früher bewährt hat?«
»Thatcher ist anscheinend der Ansicht«, bemerkte Bernard, »daß er aus Gründen der Überzeugungskräftigkeit partout diesen redlichkeitsgeschwollenen Tugendbold braucht, um ein neues Faß anzustechen.«
»Für diese Art von Nummer kann man keinen Schauspieler nehmen«, erklärte Thatcher. »Das wär, als ob 'n Weißer Blues singt. Wir werden improvisieren. Irgendwie hab ich's im Urin, daß er angewackelt kommt, wenn wir den richtigen Köder auslegen.« Als er verstummte, drehte er sich mir zu, wie um anzudeuten, daß ich bald von meiner künftigen Rolle in diesem Schmierenstück erfahren sollte.
»Ich fahre in
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