Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
Vom Netzwerk:
heikle Moment verstrich. »Bernard, was würden Sie tun, wenn Sie die Arbeit hier so satt hätten, daß Sie sich morgens nicht mehr im Spiegel sehen mögen?«
    »Wo sind denn Spiegel?« fragte er, schnitt Mienen, als sähe er sich überstürzt im Zimmer um.
    »Ich muß einfach weg«, sagte ich. »Meine ganze Zeit verplempere ich mit Nichtstun. Außer ihm kriege ich niemanden zu sehen. Das macht mich verrückt.«
    »Das ist ein Vorteil Ihrer Position«, antwortete Bernard. Er reagierte nie so, wie ich es gerne gehabt hätte, aber im Gegensatz zu allen anderen hörte er immer zu. »Haben Sie schon vorläufige Entschlüsse gefällt? Alternativen angegrübelt? Was haben Sie unternommen, außer zu nörgeln?«
    »Avi ist der Meinung, ich sollte in der Realität leben.«
    »Nach 'ner Weile wird alles irgendwie kitzlig, wie? Fische, Bekannte, Jobs, nach drei Tagen fängt alles zu stinken an. Nehmen wir mal an, Sie steigen aus. Was wird dann?«
    »Ich habe kein Einkommen mehr. Fliege aus der Wohnung. Lande auf der Straße.«
    Er nickte. »Und wenn Sie sich feuern lassen?«
    »Das gleiche.«
    »Und falls Sie sich eine andere Stellung suchen und erst danach kündigen?« fragte Bernard. »Wissen Sie, bevor man neue Arbeit hat, sollte man seine Stelle nicht aufgeben.«
    »Damit würde sich nichts daran ändern, daß ich für ihn arbeite.«
    »Und wie wär's, Sie beantragen eine horizontale Beförderung?« meinte er. »Nicht in der Art, wie Sie kürzlich eine erhalten haben …«
    »Wohin könnte ich denn versetzt werden?« fragte ich. »In die Datenverarbeitungsabteilung? In einem Monat wäre ich blind.«
    »Es ist jederzeit möglich, Arbeitslosengeld zu kassieren«, rief Bernard in Erinnerung. »In ein Obdachlosenheim zu ziehen. Lange wären Sie dort ja doch nicht.«
    »Menschen kommen mit weniger als dem aus, was ich habe …«
    »In Brooklyn verzehren die Menschen ihre Verstorbenen«, sagte er. »Thatcher ist nicht der mieseste Scheich, den ich gekannt habe. Irgendwann wird es sowieso soweit sein, also kosten Sie aus, was geboten wird, solang's klappt …«
    »Manchmal wache ich morgens auf und möchte einfach abhauen«, erzählte ich ihm. »Irgendwohin. Mich ins Auto setzen und fahren, weiterfahren ohne Ende.«
    »Durch unser großes, schönes Land?« Bernards Gesicht heiterte sich auf, er machte den Strahlemann wie ein Honigkuchenpferd, als erhielte er schon die erhofften Preise. »Bisher haben Sie es nur überflogen, meine Liebe. Ich bin vor Ort gewesen. Sie denken, New York wär fies? Allein von den Leuten in der Pampa würden Sie den Rappel kriegen. Sie lächeln unaufhörlich, selbst wenn sie die Axt schwingen, um Ihnen die Birne abzuhacken.«
    »Irgend etwas geht mit mir vor, Bernard«, sagte ich. »Ich weiß nicht was. Mir ist, als wäre jemand anderes drauf und dran, mit mir auszureißen …«
    »Sie werden älter«, rüpelte Bernard; auch wenn er stets zuhörte, geschah es nicht immer auf die verständigste Weise. »Avi hat gelegentlich recht vernünftige Ansichten. Hören Sie auf das, was er sagt. Achten Sie schlichtweg nicht auf die ärgsten Auswüchse und leisten Sie gute Arbeit. Vergessen Sie den Tag, sobald er vergeht. Genießen Sie das Leben, wie's ist.«
    »Dann wäre ich nicht besser als die anderen«, sagte ich. »Ich wäre sogar noch ekliger, weil ich nicht wie sie empfinde.«
    »Kann sein, die tun's doch und wollen es bloß nicht wahrhaben«, erwiderte Bernard. »Solche Sachen beschleichen einen ganz allmählich, müssen Sie wissen. Machen Sie nicht so ein Gesicht, meine Liebe, haben sie sich von mir etwa die Erleuchtung versprochen? Ich bin kein Heiland. Ich kann eine Kristallkugel nicht von einer Ampulle Crack unterscheiden.« Er las in seinem Terminkalender; die Brille war ihm auf die Nasenspitze gerutscht.
    »Sie können mich wirklich bedauern, mein Engel, ich muß heute abend in die Gosse hinabsteigen und mit dem Bürgermeister kumpaneien. Er will genaue Angaben dazu haben, wann er das Heer Queens befrieden soll, und ich muß ihm wohl ein Datum nennen, das noch im einundzwanzigsten Jahrhundert liegt. In letzter Zeit hat er uns ziemliches Gestänker gemacht.«
    »Sehen Sie für mich keine anderen Optionen?«
    »Sehen Sie irgendwo einen Spiegel?«
     
    »Fahrtfeddich?« erkundigte sich Jake, als er an der Schwelle meines Büros erschien, während ich mich zum Gehen vorbereitete; es war nach zwanzig Uhr.
    »Alles erledigt«, sagte ich. Wenn ich allein später das Haus verließ, garantierte Jake meine

Weitere Kostenlose Bücher