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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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an den Bronchien.
    »Wie gelangen wir zur Versuchsstation?«
    »Spreche kein englisch«, sagte der Mann in eben dieser Sprache. Man beförderte die ersten Patienten aus den Hubschraubern herein. Wir traten beiseite, um die Neuzugänge einzulassen.
    »Aus dem Weg!« schrie ein Krankenpfleger, schob eine mit drei Personen behäufte Bahre in den Flur. »Schwester! Bereiten Sie hinten alles vor!«
    »He, he, passen Sie doch auf, wo sie hintrampeln …«
    »Schwester!«
    Auf einer schier endlosen Folge von Bahren rollte man Verletzte ins Gebäude: Junge Schwarze und Latinos, Polizisten, Männer und Frauen – das heißt, soweit sie bereits das Alter hatten, um als Männer und Frauen bezeichnet werden zu können. Andere Polizisten halfen bei der Einlieferung ihrer Verwundeten, scheuchten Patienten, die auf dem Fußboden lagen, mit Tritten fort, um Platz zu schaffen. Ungestraft schwangen sie ihre Knüppel, vermutlich in der Meinung, in der Gegenwart hilfsbereiten Klinikpersonals spräche dagegen nichts.
    »Avi, begleite uns lieber hinaus«, sagte ich. »Hier ist es ja gefährlich …«
    »Alles nur Staatsgewalt«, antwortete er mir. »Bleib bei mir.«
    Eine Oberschwester begrüßte einen Polizeihauptmann; gemeinsam nahmen sie die Patienten in Augenschein. Pfleger schoben jede Bahre, auf der ein Polizist lag, umgehend ins Innere der Klinik, nachdem der Polizeihauptmann von der Verfassung des Verletzten Kenntnis genommen hatte; mit Zivilisten verfuhr man weniger diensteifrig. An jeder Bahre blieb die Oberschwester stehen und wartete auf die Entscheidung des Polizeihauptmanns, ehe sie auf die Stirn des Patienten das Zeichen des Trostes malte, das knallrote X der Triage, oder nicht. Ein junger Mann, dem es unterhalb der Knie beide Beine abgetrennt hatte, heulte derartig laut, daß er die Schreie und das Gejammer aller anderen Verwundeten übertönte. Der Polizeihauptmann tätschelte ihm den Kopf.
    »Den bringen Sie mir mal schön durch«, sagte der Polizeihauptmann zur Oberschwester; Pfleger nahmen den Burschen mit. Auf der nächsten Bahre lag eine Frau; man hatte ihr die Fußknöchel mit Handschellen ans Gestänge der Liegefläche gekettet; die Hände hatte man ihr überm Kopf festgebunden.
    »Und sie?« fragte die Oberschwester. Erraten ließ sich unmöglich, was die Frau angestellt haben sollte, und der Polizeihauptmann erwähnte es nicht; ehe ich mich abwenden konnte, schoß er ihr eine Kugel in den Schädel. Alle ringsum, die dazu die Fähigkeit hatten, oder deren von den Fernsehapparaten hervorgerufene Trance es noch erlaubte, warfen sich zu Boden. Ich hielt Lester fest im Arm, während wir Avi zum Aufnahmeschalter folgten.
    »Du hast es gesehen«, sagte ich. »Du hast's gesehen.« Lester wußte keine Antwort. Was hätte er auch sagen können? Der Polizeihauptmann und die Oberschwester setzten ihren Rundgang fort.
    »Entschuldigen Sie«, rief Avis durch das Maschendraht-Schutzgitter, das vom Aufnahmeschalter bis unter die Decke reichte. Niemand dahinter hob den Blick. »Wie gelangen wir zur Versuchsstation?«
    »Ziehn Sie sich 'ne Nummer«, rief eine Krankenschwester zurück, deutete auf eine am Schaltertisch festgeschraubte Apparatur, einen Spender der Sorte, wie ihn früher Feinkostläden benutzten, um ihre Kunden im Zaum zu halten.
    »Wo ist der Lift zur Versuchsstation?«
    »Hier gibt's keine Versuchsstation.«
    »Wie kommen wir hin?«
    »Lester«, sagte ich, dazu außerstande, den Gesichtsausdruck der Frau zu vergessen, wie sie dort gelegen hatte; es wäre falsch gewesen, zu behaupten, sie hätte überrascht gewirkt. »Kann man denn überhaupt nichts tun, um zu helfen? Das ist doch unerträglich …«
    »In derartigen Situationen ist's nicht richtig, einer Person zu helfen, ohne allen Hilfe zu leisten«, erwiderte er. »Es ist kaum möglich …«
    »Warum?«
    »Es wäre, als verwendete man 'n Küchengerät mit dem Hundertfachen der normalen Stromspannung. Da ist nichts zu machen. Tut mir leid, Joanna. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.«
    »Falls Sie eine Versuchsstation hätten«, wandte Avi sich an eine andere Krankenschwester, die soeben hinter einer Aufreihung verbeulter Karteischränke hervortrat, »wie könnten wir hingelangen?«
    »Den Flur hinunter, fünfter Aufzug rechts«, gab sie ihm Auskunft, wies mit dem Finger die Richtung. Avi lächelte und legte die Arme um uns; wir strebten auf den gezeigten Korridor zu. Vor uns gingen der Polizeihauptmann und die Oberschwester. Das Gesicht der

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