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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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hastete durch den Korridor, man merkte ihnen nicht an, daß sie uns irgendeiner Aufmerksamkeit als würdig erachtet hätten. Hinter ihnen blähten ihre langen, weißen Kittel sich wie plumpe Flügel. Während wir dem Verlauf des Korridors folgten, seine Biegungen durchquerten und um seine Ecken bogen, passierten wir häufig halboffene oder völlig offenstehende Türen; in den Zimmern ruhten jeweils, in den Betten angeschnallt, betreut durch Geräte, nicht mehr als zwei Patienten. Einige lagen an Dialyse-Apparate angeschlossen; andere schliefen unter durchsichtigen Sauerstoffzelten.
    »Was für 'ne Art Versuche wird denn auf 'ner Versuchsstation vorgenommen?« fragte Lester.
    »Danach müssen Sie die Versuchsleiter fragen«, entgegnete Avi. »Sieht aus, als wären wir da. Sollte doch dreihundertachtundzwanzig sein, oder?« Diesmal standen wir vor einer geschlossenen Tür. Avi klopfte ans Holz; klopfte nochmals.
    »Ist abgesperrt?«
    »Und wenn schon …« Avi drehte den Türknauf, und wir gingen hinein. In dem fensterlosen Zimmer herrschte Helligkeit ohne Schatten; ein Ahnungsloser hätte vielleicht unterstellt, die medizinische Wissenschaft verfolgte kein höheres Ziel als den Erhalt der Sonnenbräune der Rekonvaleszenten. Nackt lag Jensen rücklings auf einer Heizdecke; Kabel verliefen aus ihren Anschlüssen zu Klammern an seiner Stirn sowie den Armen und Beinen. Aus verschiedenen Bereichen seines Körpers dränierten Schläuche Flüssigkeiten in Flaschen, Plastikbeutel und Glasbehälter. Auf den Bildflächen der Überwachungsanlagen ersah ich nichts außer Leuchtstrichen und phosphoreszentem Blinken. Jensen hatte eine Erektion; flüchtig beschäftigte mich die Frage, ob sie durch seinen Zustand erklärlich oder absichtlich induziert worden sein mochte, bis ich die Krümmung des Katheders sah, das erst auf- und dann abwärtsführte, und nach einem Weilchen wirkte der Anblick nicht mehr bemerkenswerter als ein Abflußrohr.
    »Hast du ihn gekannt?« fragte mich Avi.
    »Nein«, sagte ich. »Er ist so jung. Heutzutage werden sie schon in so jungen Jahren angeworben.«
    »Wenn sie frisch von der Uni kommen, sind sie noch leicht zu beeindrucken.«
    Die Muskeln, die sich an Jensens Äußerem abzeichneten, vermittelten mir die Überzeugung, daß er im ganzen Leben keinen einzigen Tag körperlicher Arbeit geleistet hatte; sein Fleisch hätte aus naturgetreu geformtem, erhärtetem Schaumstoff bestehen können. Ich hatte bereits Kollegen gehabt, die Herzinfarkte erlitten, obwohl ihre hinlänglich stämmigen, kraftvollen Gestalten bei ihren Vorgesetzten die Beurteilung gerechtfertigt hatten, sie seien dem Stress einer Leitungskarriere gewachsen. »Tja«, sagte Avi, »das Restliche ist ja wohl deine Aufgabe.«
    »Lester?« fragte ich. Bis zu diesem Moment hatte Lester auf der Schwelle des Zimmers gezögert, als könnte ein zu rasches Eintreten ohne angebrachte Vorbereitung eine etwa erforderliche, geeignete Stimmung stören. Er trat neben das Bett und senkte seine Fingerspitzen auf Jensens Stirn, achtete dabei darauf, nicht die Kabel zu lockern. Jensens Augen standen offen, doch offenbar sah er nichts; aufgrund ihrer starken Schrumpfung ließen die Pupillen sich kaum noch unterscheiden. Während Lester die Berührung beibehielt, lauschten Avi und ich aufs Abendgebet der Geräte: Piepser, Pingen, abgehacktes Knistern von Statik sowie ein leises, einem Choral vergleichbares Gesumm.
    »Haben wir Glück?« fragte ich Lester. Plötzlich riß er die Hand zurück, als hätte er sich bei der Suche nach irgend etwas Entfallenem mit den Fingern in eine Steckdose verirrt.
    »Was war das?« rief Avi. »Was ist? Haben Sie was festgestellt …?«
    »Wer sind Sie?« Eine fremde Stimme erscholl, ertönte derart unerwartet, daß ich, ehe wir uns umdrehten und nachschauten, wer uns angesprochen hatte, im ersten Augenblick dachte, Jensen sei vielleicht doch wach und betätigte sich als Bauchredner, um uns zu erschrecken und fortzujagen. »Würden Sie mir bitte antworten?« fügte die Frau hinzu; sie hatte die Körpermaße einer Walküre und trug einen wie eine helle Zuckerstange in Weißgelb gestreiften Kittel. Sie hatte eine Kranzfrisur im Gretchenstil und an den Oberarmen mehr Bizeps als Jensen. »Sind Sie Verwandte, oder was?«
    »Wir sind von der Dryco«, sagte Avi. »So wie er. Wir sind zu Besuch da.«
    »In dieser Etage sind alle von der Dryco, ich krieg's andauernd zu hören. Kann sein, 's ist Ihre Klinik, aber das heißt nicht, Sie dürfen

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