Ambient 02 - Heidern
über soundsoviel Platz.«
»Worauf wollen Sie hinaus?« fragte Avi.
»Wenn sie so jung und gesund wie er sind und keine Verwandten haben, na, dann werden die Apparate, nachdem wir die Gifte, Drogen oder Medikamente aus dem Blut gefiltert haben, schließlich abgeschaltet, und danach …«
»Und die Organe werden an besonders erlesene Empfänger verteilt«, folgerte ich.
»Innerhalb des Konzerns, soviel ich weiß«, sagte Schwester Cordero. »Ist kosteneffektiv, kann ich mir vorstellen.«
»Er ist also zur Versteigerung vorgesehen?« fragte Avi.
»Wer zuerst kommt, wird zuerst bedient, immer vorausgesetzt, er kann's sich erlauben«, erklärte die Krankenpflegerin. »Deshalb bin ich im ersten Moment so unfreundlich gewesen, ich konnte ja nicht ahnen, auf was Sie aus sind. Gegenwärtig ist er in tadelloser Konstitution.«
»Und Sie möchten, daß es so bleibt«, sagte ich.
»Sie müssen das verstehen«, antwortete sie, musterte Jensen, wie er da lag. »Es werden immer die genommen, die noch am besten aussehen.«
Sie ließ uns hinaus und schloß die Tür. Einige Augenblicke lang standen wir im Flur und schwiegen.
»Fahren wir zu seiner Wohnung«, schlug Avi vor. »Mal schauen, was wir dort finden können.«
»Seit wann gehört das Gebäude der Dryco?« erkundigte ich mich, als wir an der 167. Straße aus dem Auto stiegen und den Grand Concourse betraten. Wir überquerten den breiten Gehweg zum Eingang des Gebäudes; unter unseren Füßen knirschten gläserne Ampullen, so leer wie der gesamte Boulevard.
»Seit über einem Jahr«, gab Avi mir Auskunft. »Es gehörte einer der Grundstücksfirmen, die er erworben hat.« Es kostete ihn wenig Mühe, die zertrümmerte Zugangstür aufzustoßen. »Jensen ist nach dem Tod seiner Großmutter hier eingezogen. Ich glaube, er war der einzige, der noch im Haus gewohnt hat. Die Dryco hat die Versorgung weiterlaufen lassen.«
Am zutreffendsten bezeichnete man das Foyer wohl als bescheiden; seine dürftigen Ausmaße jedenfalls rechtfertigten diese Einschätzung vollauf. Von den unteren Abschnitten der Mauern blätterte Ockerfarbe ab; oberhalb dieser Bereiche hatte man sie – bestimmt schon während ich noch die Hochschule besuchte – mit Graffiti bekritzelt. Auf dem Weg zu Jensens Wohnung kamen wir an den Lifts vorüber; alle waren außer Betrieb. Irgend jemand hatte die Türen aus den Rahmen gerissen und auf den kalten, verdreckten Fliesen zurückgelassen.
»Hier ist es«, stellte Avi fest, holte einen mit Schlüsseln besetzten Metallring aus der Tasche, begann die sieben Türschlösser aufzusperren. Jensens Erdgeschoßwohnung befand sich im Hinterhaus des Gebäudes; ich vermutete, sie lag an der kleineren Straße gleich östlich des Grand Concourse.
»Man gäbe niemals zu, daß man ihn zum stückweisen Ausverkauf aufbewahrt«, sagte ich, beobachtete Avis Reaktion, um herauszufinden, ob er womöglich schon davon gewußt hatte.
»Das ist verständlich«, bemerkte er.
»Man macht es sich einfach«, sagte ich. »Hat Bernard an irgend etwas Besonderes gedacht, nach dem du suchen sollst?« Ich lehnte mich, nachdem ich mich davon überzeugt hatte, daß in meinem Umkreis keine Schaben umherkrochen, die aus meiner Nähe einen Vorteil ziehen könnten, an die Wand. Ich sah nirgends Schaben, ein Sachverhalt, den ich nicht unbedingt als ungewöhnlich beurteilte, aber doch als auffällig empfand.
»Nach Hinweisen«, antwortete Avi. Beim Eintreten hatte ich plötzlich den Eindruck, ich sei hier schon einmal gewesen, ich erinnerte mich an eine ältere Tante, die rund zwanzig Blocks weiter nördlich am Grand Concourse gewohnt und die ich gelegentlich besucht hatte. Ging man ausschließlich nach der Zimmeraufteilung, hatte ihre Wohnung sich nicht von Jensens Behausung unterschieden: Es gab einen kleinen Flur, Küche und Bad, zwei Schlafzimmer und ein zwei Stufen tiefer als die übrigen Räume gelegenes Wohnzimmer.
»Meinst du, er hat sich häufig hier aufgehalten?« fragte Avi, während er sich nach allen Seiten umblickte.
»Warum fragst du?« Sobald meine Augen sich den düsteren Lichtverhältnissen angepaßt hatten, erkannte ich den Grund. Braune Vorhänge an Erkerfenstern färbten alles sepiafahl. Sollte das Metropolitan Museum sich je entschließen, seine Ausstellung historischer Räumlichkeiten um einen typischen Wohnraum der Eisenhower-Ära zu ergänzen, könnte es nirgendwo besser als bei Jensen fündig werden, beziehungsweise bei, wie ich wohl richtig sagen müßte,
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